Jim Knopf und die Wilde 13 (2020)
Produktion: Rat Pack Filmproduktion, Warner Bros. Film Productions Germany
Regie: Dennis Gansel
Produktion: Christian Becker
Autor: Dirk Ahner
Kamera: Philip Peschlow
Schnitt: Ueli Christen
Musik: Ralf Wengenmayr, Marvin Miller
Darsteller: Henning Baum, Solomon Gordon, Annette Frier, Christoph Maria Herbst, Milan Peschel, Uwe Ochsenknecht, Leighanne Esperanzate, Sonja Gerhardt
Kinostart: 01.10.2020
Laufzeit: 109 Minuten
Story
Die Wilde 13 kann es kaum fassen: Frau Mahlzahn ist von Jim Knopf und Lukas besiegt worden! Wer soll denn jetzt die Piraten dafür belohnen, dass sie Kinder entführen und nach Kummerland verschleppen? Die Bande schwört Rache! Denn ohne die mutigen Lokomotivführer aus Lummerland wären die Kinder niemals befreit und Frau Mahlzahn nicht nach Mandala gebracht worden.
Über Lummerland haben sich dunkle Wolken zusammengezogen. Seit Tagen gibt es nur noch Regen und Nebel, sodass vor der Küste einmal mehr das Postboot auf Grund läuft. König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte ruft alle Einwohner zusammen: Frau Waas, Herr Ärmel, Lukas, Jim und Prinzessin Li Si, die gerade zu Besuch ist. Nicht auszudenken, wenn ihr Vater, der Kaiser von Mandala, mit seinem Staatsschiff nach Lummerland kommt und bei schlechtem Wetter auf Grund läuft! Lummerland braucht einen Leuchtturm. Doch dafür ist kein Platz auf der kleinen Insel. Jim hat eine Idee: Der Scheinriese Herr Tur Tur könnte mit einer Laterne am Ufer stehen. Er nimmt nur wenig Platz weg, ist aber aus der Ferne gut sichtbar.
Die Staatskrise scheint gelöst zu sein. Jim und Lukas müssen nur in die Spiegelwüste reisen und Herrn Tur Tur nach Lummerland einladen. Sie machen die Lokomotive Emma seetauglich und nehmen, Huckepack auf Emmas Kohlentender, auch Jims kleine Lokomotive Molly mit. In fremden Gewässern begegnen sie der Meerjungfrau Sursulapitschi. Sie bittet die handwerklich versierten Lummerländer, ihr zum Gurumusch-Magnetfelsen zu folgen und eine uralte Anlage zu reparieren, die das Meer wieder zum Leuchten bringt. Das gelingt, doch Jim und Lukas erkennen schnell die Folgen ihrer Hilfsbereitschaft: Der überaus starke Magnet zieht allen Schiffen in der Nähe die Nägel aus den Planken und lässt die untergehen. Außerdem haften Emma und Molly so fest an dem aktiven Magnetfelsen, dass sie Gurumusch nicht mehr verlassen können. Schweren Herzens schalten Jim und Lukas das Meeresleuchten wieder aus. Sie versprechen Sursulapitschi aber, bald eine Lösung für das Problem zu finden.
Mit zwei Magnetsteinen, die Jim an unterschiedlichen Enden der Insel aufgesammelt hat, baut Lukas seine Emma zu einem Perpetumobil um. So kann die Lokomotive mit Magnetkraft statt Kohlekraft fahren und sogar fliegen. Aus Sicherheitsgründen muss Molly allerdings auf der Insel zurückbleiben.
In der Spiegelwüste freut sich Herr Tur Tur über das Wiedersehen mit Jim und Lukas. Doch den Scheinriesen plagen große Sorgen, denn in seiner Hütte hat sich ein unbekanntes, schreckliches Biest eingenistet. Mutig geht Jim in die Hütte und entdeckt dort den Halbdrachen Nepomuk. Er musste aus seinem Vulkan in Kummerland fliehen, weil er Jim und Lukas bei ihrem Kampf gegen Frau Mahlzahn geholfen hat. Nachdem sich Nepomuk und Herr Tur Tur erst einmal kennengelernt haben, freunden sich der Halbdrache und der Scheinriese an und hören beim Lagerfeuer gute Nachrichten: Herr Tur Tur soll als Leuchtturm auf Lummerland arbeiten, Nepomuk soll der neue Wächter vom Gurumusch-Magnetfelsen werden und das Meeresleuchten nur dann ausschalten, wenn sich Schiffe nähern. Beide sind begeistert.
Bei der Rückkehr zum Magnetfelsen ist Jim geschockt: Die Wilde 13 hat Molly entführt! Der Goldene Drache der Weisheit, in den sich Frau Mahlzahn in einem jahrelangen Schlaf verwandelt hat, soll einen Hinweis darauf geben, wo die Wilde 13 und somit auch Molly zu finden sind. Doch beim Besuch in Mandala spricht der Drache in Rätseln: Jim, Lukas und die mandalanische Marine sollen ein Kriegsschiff mit blauer Farbe tarnen und sich damit auf dem Ozean treiben lassen. Nur so, sagt der Drache, ist die Wilde 13 zu finden. Der Kaiser und sein Berater Ping Pong lassen umgehend das Schiff klarmachen. Die Lokomotive Emma bleibt in Mandala zurück.
Tag um Tag vergeht, doch die Wilde 13 will sich einfach nicht blicken lassen. Kapitän Han Gong und sein erster Offizier befürchten eine Meuterei auf dem Kriegsschiff. Als sie dann noch bemerken, dass sich Prinzessin Li Si, gegen den ausdrücklichen Willen ihres Vaters, als blinder Passagier an Bord des Schiffes geschlichen hat, will Hang Gong sofort nach Mandala zurückkehren. Da taucht endlich das Piratenschiff der Wilden 13 auf. Es kommt zu einer verlustreichen Seeschlacht, die zugunsten der Piraten ausgeht. Sie nehmen Lukas, Li Si, Han Gong und die Soldaten gefangen. Nur Jim, der im Kampfgetümmel über die Reling und ins Meer gestürzt ist, kann sich in der Gallionsfigur, einem riesigen Skelett, verstecken.
Ein gewaltiger Wirbelsturm hebt das Piratenschiff in die Höhe und trägt es bis zur Insel der Piraten: zum Land, das nicht sein darf. Jim schleicht sich in die labyrinthartigen Gänge und Höhlen der Wilden 13. Es gelingt ihm, die betrunkenen Piraten zu fesseln und den fünfzackigen roten Stern des Anführers in seinen Besitz zu bringen. Nachdem er seine Freunde aus dem Verlies befreit hat, entdecken Jim, Lukas und Li Si in der Schatzkammer einen unscheinbaren Holzkorb. Darin liegen königliche Insignien und Dokumente, die wichtige Hinweise auf Jims Herkunft geben.
Han Gong möchte die Piraten so schnell wie möglich den Haien zum Fraß vorwerfen. Doch Jim, als deren neuer Anführer, schenkt ihnen das Leben und die Freiheit. Im Gegenzug will ihm die Wilde 13 dabei helfen, Jims untergegangene Heimat, die Insel Jamballa, wiederzufinden. Dazu müssen die Piraten aber ihre Festung im Meer versenken und freiwillig dem Tod ins Auge blicken. Jim und Lukas beteiligen sich an diesem letzten großen Abenteuer, damit die Lummerländer, die Mandalaner, die Wilde 13 und alle anderen Menschen und besonderen Wesen künftig in Frieden miteinander leben können.
Weitere Infos
Zwei Bücher, eine Geschichte
Produzent Christian Becker zweifelte nie daran, dass diese Geschichte bis zum Schluss erzählt werden muss: „Als Michael Ende die Abenteuer von Jim und Lukas schrieb, war der Roman ursprünglich ein einziger dicker Wälzer. Der Verlag wollte ihn aber in zwei Bände aufteilen, weshalb Michael Ende noch einige Änderungen vornahm. So entstanden zwei große Reisen. Die erste haben wir 2018 ins Kino gebracht, die zweite Reise kommt jetzt ins Kino.“
Der erste Film, „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“, war mit fast zwei Millionen Zuschauern der erfolgreichste deutsche Film des Jahres 2018. Das ist ein guter Wert, doch das riesige Filmteam hatte auf höhere Besucherzahlen gehofft. „Nach einem sehr guten Start im März und einer weiteren Steigerung im April hatten wir das Pech, dass es in Deutschland eine zweimonatige Hitzewelle gab, die vielen Menschen die Lust auf einen Kinobesuch nahm“, sagt Christian Becker. „Sonst wäre für uns deutlich mehr drin gewesen. Ein Jahr zuvor hatte es im April sogar noch geschneit.“ Obwohl die hohen Produktionskosten nicht vollends eingespielt werden konnten, war es Christian Becker wichtig, auch den zweiten Roman zu verfilmen: „Wir haben in ,Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer‘ eine abgeschlossene Geschichte erzählt, aber wenn man genauer hinschaut, sind doch einige Fragen offen geblieben. Die werden jetzt in JIM KNOPF UND DIE WILDE 13 beantwortet.“
So bündelten Christian Beckers Produktionsfirma Rat Pack sowie Willy Geike und Steffi Ackermann von Warner Bros. Film Productions Germany einmal mehr ihre Kräfte, als weitere Koproduzenten kamen die JM Filmproduktionsgesellschaft, Michael Ende Productions und Malao Film dazu sowie Moonlighting Films als Service-Produktion in Südafrika. Executive Producer waren Willy Geike, Dr. Peter Jänsch und Olaf Meyers, Koproduzent war unter anderem Roman Hocke. Finanzielle Unterstützung kam vom FilmFernsehFonds Bayern, vom Medienboard Berlin-Brandenburg, von der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg, der Filmförderungsanstalt, vom Deutschen Filmförderfonds und von der „Foreign Film and TV Production and Post Production Incentive oft he DTI of the Republic of South Africa“.
Regisseur Dennis Gansel sagte mit freudiger Begeisterung zu, auch den zweiten Film zu inszenieren: „Ich finde es großartig, dass alle Produzenten gemeinsam auch dieses Projekt stemmen konnten. Es ist ein großes Geschenk, dass wir wieder mit dem Aufwand drehen durften, den Michael Endes Geschichte benötigt. Der zweite Film bietet neue Figuren, neue Welten, neue Abenteuer und so viele Schätze, die wir heben wollten und die es wert sind, mit großen Bildern erzählt zu werden.“
Schon für den ersten Film hatten die Produzenten in enger Abstimmung mit Dr. Wolf-Dieter von Gronau, dem Testamentsvollstrecker des 1995 verstorbenen Michael Ende, sowie mit dem Literaturagenten und Erbenvertreter Roman Hocke, der über viele Jahre Endes Lektor war, zusammengearbeitet. „Das gegenseitige Vertrauen und das gemeinsame Verständnis von der Produktion waren vorbildlich“, lobt Christian Becker. „Wir hatten vertraglich vereinbart, dass wir erst über einen zweiten Film verhandeln, wenn der erste Film ins Kino kommt. Diese Option wurde schließlich genutzt, und wir wurden uns schnell über die Konditionen einig.“
Drehbuchautor Dirk Ahner hatte früh damit begonnen, den zweiten Roman in eine filmgerechte Handlung zu übersetzen: „Das Buch ist eine wilde Achterbahnfahrt durch die unterschiedlichsten Welten, angereichert mit unglaublich viel phantasievollen Ideen und unvergesslichen Figuren. Stoff genug für eine Serie!“ Um die Geschichte aber in circa 90 Minuten erzählen zu können, musste Dirk Ahner manche Elemente umbauen und behutsam modernisieren: „Im Roman springen Jim und Lukas ständig zwischen Lummerland und den verschiedenen Spielorten hin und her. Wir wollten eher eine klassische, geradlinige Heldenreise. Die beiden Abenteurer sollten erst nach Hause zurückkehren, wenn alle Gefahren überstanden sind. Der zweite Film weicht etwas stärker vom Roman ab, als das noch beim ersten Film der Fall war. Durch diese Änderungen wurde die Geschichte allerdings auch straffer und temporeicher, was ich persönlich sehr mag.“
Laut Regisseur Dennis Gansel beschreitet JIM KNOPF UND DIE WILDE 13 wieder einen guten Weg zwischen Werktreue und sinnvoller Modernisierung: „Jim Knopf und Lukas verlassen ein zweites Mal Lummerland und gehen auf große Reise. Diesmal wollen sie den Scheinriesen Herrn Tur Tur auf ihre Insel holen, weil dort ein Leuchtturm fehlt. Unterwegs treffen sie auf die Meerjungfrau Sursulapitschi, reparieren den Gurumusch-Magnetfelsen und machen ihn zur neuen Heimat des Halbdrachen Nepomuk. Und wir schließen das Kapitel der Wilden 13 ab, wodurch Jim Knopf endlich herausfindet, woher er kommt und wer er ist.“
Christian Becker hatte Drehbuchautor Dirk Ahner eine Autogrammkarte von Michael Ende geschenkt, die einen festen Platz neben Ahners Schreibtisch fand: „Der Blick des Meisters hat mich immer begleitet, so dass ich mich fast automatisch gefragt habe: Ist das, was ich gerade schreibe, in seinem Sinne? Es war mir wichtig, Michael Ende in jeder Sekunde spürbar zu machen und trotzdem meine eigene Tonalität für die Geschichte zu finden, also das richtige Maß an Emotionalität, Spannung und Abenteuer, aber auch Humor und moderne Figuren, die den Kinozuschauer mitreißen.“
Männer und Maschinen
Dass mit den Dreharbeiten für den zweiten Film verhältnismäßig schnell begonnen werden musste, lag auch am jungen Hauptdarsteller, Solomon Gordon, der aus der Rolle des Jim Knopf herauszuwachsen drohte. 2005 im englischen Northampton geboren, war Solomon kurz vor dem Drehstart von „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ elf Jahre alt geworden. Als am 4. März 2019 die erste Klappe für JIM KNOPF UND DIE WILDE 13 fiel, war er zweieinhalb Jahre älter und 13 Zentimeter gewachsen. „Wir haben beschlossen, sein Alter und die Pubertät nicht zu verstecken, sondern im Film zu thematisieren“, sagt Drehbuchautor Dirk Ahner. „Jim steht an der Schwelle zum Erwachsenwerden, er ist reifer und nachdenklicher geworden. Er hat akzeptiert, dass Lummerland seine Heimat ist. Die Frage nach seiner Herkunft ist allerdings ungelöst geblieben, und das quält ihn über weite Strecken des Films.“
„Ich war wirklich überrascht, wie schnell aus einem niedlichen Kind ein waschechter Teenager werden kann“, sagt Regisseur Dennis Gansel, der alle Tricks nutzte, um Solomon Gordon als Jim Knopf doch ein wenig jünger wirken zu lassen. Kameramann Philip Peschlow filmte ihn meist aus einer leicht erhöhten Perspektive, Kostümbildnerin Anke Winckler ließ alle roten Pullover, blauen Hosen und die markante Mütze in neuen Größen anfertigen, und Maskenbildner Georg Korpás nutzte seine Make-up-Möglichkeiten aus. „Wir wollen aber gar nicht vertuschen, dass seit dem ersten Film einige Zeit vergangen ist“, sagt Georg Korpás. „Das ist auch schön, weil das Publikum mitgewachsen ist und Solomon Gordon jetzt noch besser performen kann als damals.“ Auch Henning Baum, der ein weiteres Mal den Lokomotivführer Lukas spielt, schätzt den Reifungsprozess seines jungen Kollegen: „Solomon und damit auch Jim Knopf sind dem Kindesalter entwachsen. Man kann jetzt andere Gespräche mit ihm führen und anders mit ihm vor der Kamera agieren. Ein Teenager sieht die Welt mit anderen Augen: Kein Wunder, dass Jim die Insel Lummerland zu klein wird und er neue Abenteuer sucht. Ich finde, die Geschichte wird dadurch noch spannender.“ Solomon Gordon ergänzt: „Jim und Lukas begegnen sich jetzt auf Augenhöhe. Wir sehen nicht mehr den Waisenjungen hier und den väterlichen Freund dort, sondern beide sind Kollegen und Freunde, die sich gemeinsam in noch größere Abenteuer stürzen und Lösungen für alle Probleme finden.“
Emma, die in Michael Endes Roman als „gute, wenn auch vielleicht etwas altmodische Lokomotive“ beschrieben wird, bleibt in JIM KNOPF UND DIE WILDE 13 eine zuverlässige Partnerin der beiden Lokomotivführer. Gleich vier Emmas waren im Jahr 2016 für „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ gebaut worden. Das 7,5 Tonnen schwere Hauptfahrzeug, die „Emma 1“, entstand damals in der Schlosserei des Studios Babelsberg. „Wir haben sie einer Generalinspektion unterzogen und mussten vor allem ihre Batterie erneuern“, sagt Szenenbildner Matthias Müsse. „Nach zwei Wintern hatte ich einen deutlich schlechteren Zustand erwartet.“ Die Ur-Emma wurde ausschließlich in der Lummerland-Kulisse im Studio Babelsberg benutzt. Eine leichtere, schwimmfähige Emma, die in Südafrika produziert worden war, kam auch diesmal in und um Kapstadt zum Einsatz.
Emma ist kein seelenloser Stahlkoloss, sondern hat dank Scheinwerfern, Stoßstange und Puffern eine Art Gesicht, an dessen Ausdruckskraft Matthias Müsse noch einmal gefeilt hat: „Wir haben das milchige Glas der Lampen durch Strukturglas aus Plexiglas ersetzt und die Schirme über den Lampen beweglich gemacht. Emma kann jetzt durch ferngesteuerte Elemente nach oben oder nach unten blicken. Das verleiht ihr mehr Emotionen.“ Bei Emma läuft aber auch viel über den Ton. „Drei Sounddesigner waren allein auf Emma abgestellt“, sagt Dennis Gansel. „Dazu kam eine Schauspielerin, mit der wir verschiedene Laute aufgenommen haben, aus denen ein Musiker die Sounds für Emma schuf.“
Am Ende des ersten Films tauchte die Baby-Lokomotive Molly auf. Im zweiten Film hätte sie, wie schon in Michael Endes zweitem Roman, eigentlich eine Teenager-Lokomotive sein müssen, in der Jim Knopf stehen kann. Die Filmemacher entschieden sich aber gegen den Bau einer Teenie-Molly. Das hatte nicht nur finanzielle Gründe, sondern auch inhaltliche: „Es ist herzerwärmend, wenn Jim und Lukas diese hilflose Baby-Lokomotive aus den Klauen der Wilden 13 retten müssen“, sagt Matthias Müsse. „Im Film wird erklärt, dass Lokomotiven im Säuglingsalter auffallend klein bleiben und erst mit drei oder vier Jahren einen Riesensatz nach oben machen.“ Da Molly ursprünglich nur für einen Kurzauftritt am Ende des ersten Films konzipiert worden war, musste ihr 30 Kilogramm leichter Styroporkörper für die längeren Dreharbeiten verstärkt werden. Hinzu kam diesmal ein 70 Kilogramm schweres Innenleben, damit Molly qualmen, pfeifen und die Augen-artigen Lampen bewegen konnte. Fahrtüchtig war das Modell nicht, weil bereits in einer frühen Produktionsphase beschlossen wurde, dass die große Emma die kleine Molly Huckepack tragen sollte: „Wir haben überlegt, dass Frau Waas bestimmt einen großen Wäschekorb übrig hat, in dem Molly sicher auf Emmas Kohlentender befestigt werden kann, bevor die Reise über die Weltmeere beginnt“, sagt Matthias Müsse.
Phantastische Welten in Südafrika
Im wahren Leben durfte die kleine Molly in einem Flugzeug mit dem Filmteam reisen, während die schwimmfähige Emma per Seefracht nach Südafrika transportiert wurde. Dort wurde die große Lokomotive mit der draufgeschnürten Molly ins geflutete Wasserbecken der Filmstudios von Kapstadt gesetzt. Während „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ weitgehend in Deutschland gedreht wurde und die Crew zum Schluss für zehn Drehtage nach Südafrika reiste, war die Gewichtung bei JIM KNOPF UND DIE WILDE 13 genau umgekehrt. „Inklusive der Vorbereitungszeit habe ich vier Monate in Südafrika verbracht und das Land noch einmal ganz neu kennengelernt“, sagt Regisseur Dennis Gansel. Er lobt die Vielfalt der Motive, die guten Lichtverhältnisse und die Professionalität der südafrikanischen Filmschaffenden: „Wir hatten mehr als 120 Teammitglieder, die aus Kapstadt und Johannesburg kommen. Einige wohnen in Townships, andere in großen Villen, und am Set waren wir eine toll funktionierende Gemeinschaft, die auch außerhalb der Arbeit viel Zeit miteinander verbracht hat.“ Produzent Christian Becker ergänzt: „Südafrika bot uns wieder die besten Voraussetzungen, um phantastische Welten zu erschaffen. Nur die Lummerland-Szenen haben wir in Babelsberg gedreht, alle anderen Motive fanden wir in der südafrikanischen Natur oder konnten sie in den Studios bauen.“
Die Meerjungfrau und der Magnetfels
Die einzige neue markante Rolle, die für JIM KNOPF UND DIE WILDE 13 prominent besetzt werden musste, ist die Meerjungfrau Sursulapitschi, „Schon in meiner Kindheit war sie eine meiner Lieblingsfiguren“, sagt Regisseur Dennis Gansel, „weil sie das Leben im Meer repräsentiert und die phantasievolle Geschichte noch reicher macht.“ Weil Meerjungfrauen auch in Filmen eher selten auftauchen, gingen der Besetzung lange Überlegungen voraus: „Wir wollten eine Meerjungfrau, die nicht zu kindlich und zu süß, aber auch nicht zu erwachsen wirkt“, sagt Produzent Christian Becker. „Zugleich sollte sie die Lebensfreue und Energie ausstrahlen, die Sursulapitschi in Michael Endes Roman versprüht.“ Die Wahl fiel auf Sonja Gerhardt, die schon in Christian Beckers Produktionen „Die Wolf-Gäng“ (2019) und „Türkisch für Anfänger“ (2012) mitgespielt hatte.
„Sursulapitschi ist eine Meeresprinzessin, die jung aussieht, aber schon viele hundert Jahre alt ist“, beschreibt Sonja Gerhardt ihre Rolle. „Sie ist eine sehr offene und liebenswürdige Person, die jeden gleich in ihr Herz schließt.“ Auch Jim Knopf und Lukas sind entzückt, als Sursulapitschi auf dem offenen Meer den Kontakt zu den beiden „Landwesen“ aus Lummerland sucht. „Lukas stellt gleich fest, dass die Meerjungfrau einen ganz reizenden Fischschwanz hat“, lacht Henning Baum. „Da wir uns auch an ein junges Publikum wenden, schwingt natürlich keine erotische Ebene mit. Aber dieses mystische weibliche Wesen ist eine atemberaubende Erscheinung, wenn sie grazil und mit langem blondem Haar durch das Wasser schwimmt.“
Vier Stunden Maskenzeit musste Sonja Gerhardt an jedem Drehtag in Kauf nehmen. Das Aufsetzen der vier Kilogramm schweren Perücke mit ein Meter langen hellblonden Haaren war dabei die leichteste Übung. Zeitintensiver war die Verschmelzung des Fischschwanzes mit dem Oberkörper. „Ich wollte keine klassische Meerjungfrau schaffen, die nur bis zur Taille wie ein Fisch aussieht“, sagt Maskenbildner Georg Korpás. „Die Schwanzflosse sollte fließend in den Oberkörper übergehen, wie bei einem amphibischen Wesen.“ Der grünliche Schwanz mit silbrigen Schuppen bestand aus acht Kilogramm Silikon und war mehrfach verwendbar. Er enthielt Schaumstoffteile und Luftkammern, die ihm Auftrieb gaben, konnte aber auch mit Gewichten schwerer gemacht werden, wenn der Unterleib unter Wasser bleiben sollte. Der künstliche Oberkörper wurde auf die Haut der Schauspielerin geklebt und musste für jeden Drehtag neu hergestellt werden. Der Übergang zwischen beiden Partien wurde durch wasserfestes Make-up und viele Silberpigmente kaschiert.
Sonja Gerhardt musste von helfenden Händen ins Wasser getragen werden, da sie in voller Meerjungfrauen-Montur nicht laufen konnte. Und das Wasser war mit einer Temperatur von circa 15 Grad Celsius mehr als erfrischend. „Für Sonja war es wirklich hart und sie hat meinen größten Respekt verdient“, sagt Regisseur Dennis Gansel. „In Südafrika haben wir in einem Tank gedreht, der nicht beheizt werden konnte, weshalb sie im kalten Wasser komplette Szenen spielen musste.“ Die Wiedergutmachung erfolgte später in Babelsberg: „Beim Nachdreh konnten wir eine deutlich angenehmere Badewannentemperatur von 30 Grad erzeugen“, sagt Dennis Gansel, der eine heitere Episode mit der Meerjungfrau verbindet: „In Südafrika hatten wir eine Kameraassistentin, die fast in Tränen ausbrach, weil sie ihr Leben lang eine Meerjungfrau treffen wollte und ausgerechnet an dem entscheidenden Drehtag verhindert war. Ich habe ihr dann Fotos geschickt und sie war ganz aus dem Häuschen.“
Sursulapitschi führt Jim und Lukas zum Gurumusch-Magnetfelsen im Barbarischen Meer. Vor tausenden Jahren hat ihr Ur-ur-ur-ur-ur-ur-Großvater, der erste Meereskönig, dort eine Anlage errichtet, mit der die Unterwasserwelt beleuchtet werden konnte. Doch seit die Anlage defekt ist, herrscht im Meer totale Finsternis. Die technisch versierten Eisenbahner Lukas und Jim versprechen der Meerjungfrau, sich der Sache anzunehmen. „Für mich war der Gurumusch-Magnetfelsen eines der spektakulärsten Sets im zweiten Film“, sagt Szenenbildner Matthias Müsse. Gebaut wurde die Kulisse im Three Arts Theatre, einer ehemaligen Konzerthalle im Süden Kapstadts. Wo einst Tom Jones, Tina Turner oder Deep Purple auf der Bühne standen, bot der riesige Leerstand jetzt genügend Platz für die finstere Höhlenwelt von Gurumusch. „Beim glänzend schwarzen Gestein habe ich mich von der Basaltküste Islands inspirieren lassen“, sagt Matthias Müsse. „Die massiven Felsen wirken fremd und bizarr, sie sehen abweisend und gefährlich aus.“ Das Gestein sollte sich unterscheiden von den Schieferwänden in der Drachenschule, in der Frau Mahlzahn im ersten Film die entführten Kinder unterrichtete.
Zunächst war geplant, den Magnetfelsen auf dem Studiogelände unter freiem Himmel zu bauen und an den Wassertank angrenzen zu lassen. Doch Kameramann Philip Peschlow plädierte für einen geschlossenen Studiobau, der ihm mehr Möglichkeiten zur Lichtsetzung in der dunklen Umgebung bot. Matthias Müsse war begeistert von seinem südafrikanischen Team: „Die Felsenlandschaft wurde bildhauerisch und malerisch großartig umgesetzt. Jedes Detail stimmte, bishin zu den Moosen und Flechten auf den Steinen.“ Derart aufwändige Kulissen waren auch der Grund dafür, dass Müsse seine Arbeit auch in den Dienst des zweiten Films stellen wollte: „Da ich das Projekt schon 15 Jahre begleitet habe, bevor wir den ersten Film gedreht haben, fühlte ich mich Jim Knopf sehr verbunden. Ich war auch überrascht, wie viele neue Welten es im zweiten Roman gab. Ich dachte erst, Lummerland, Teile von Mandala, die Wüste und die Schiffe haben wir ja schon. Aber ganz neue Orte wie den Magnetfelsen und das Land, das nicht sein darf, zu entwerfen und zu bauen, waren spannende Herausforderungen.“
Gleich neben der fünfeckigen Luke, die ins Innere des Magnetfelsen führt, erlaubte sich Matthias Müsse künstlerische Freiheiten: „Bei Michael Ende stehen dort seit vielen tausend Jahren Tafeln mit Sicherheitshinweisen. Das ist aber sehr unfilmisch, deshalb habe ich die Texte direkt in den Stein meißeln lassen. Das macht sie langlebiger. Und es ist spannender, dass unsere Helden erst eine Staubschicht wegpusten müssen, um die Hinweise lesen zu können.“ Im Roman führt eine lange Treppe in das Innere des Magnetfelsen, im Film steigen Jim Knopf und Lukas einen bergbauähnlichen Schacht hinab, der eine klaustrophobische Atmosphäre erzeugt und die Rückkehr an die Erdoberfläche erschwert, sobald die Kerzen abbrennen. Andererseits ist es gerade die Dunkelheit, die ihnen bei der Suche nach dem bläulich schimmernden Kristall hilft, den sie zur Reparatur der Anlage brauchen. Das blaue Schimmern wurde mit LED-Lampen erzeugt, deren Strahlkraft später digital um ein Vielfaches erhöht wurde. Wenn die gewaltigen Magnetkräfte das Sankt-Elms-Feuer entfachen, erkennen Jim und Lukas – und mit ihnen der Zuschauer – das gewaltige Ausmaß der Höhle. „Das sah unglaublich aus“, sagt Henning Baum. „In dieser beeindruckenden Kulisse hätte auch eine grandiose Wagner-Opern-Aufführung stattfinden können.“
So sehr sich Sursulapitschi auch über das neue Meeresleuchten freut: Jim und Lukas müssen den Magnetfelsen erstmal wieder deaktivieren. Andernfalls würden rund um Gurumusch viele weitere Schiffe versinken, denen die Magnetkraft alle Nägel aus den Planken zieht. Außerdem können die Lummerländer ihre Reise erst fortsetzen, wenn die Lokomotiven Emma und Molly nicht mehr vom Magnetfelsen angezogen werden. Doch Jim und Lukas versprechen Sursulapitschi, bald zurückzukehren und eine Lösung zu finden.
Mit dem Perpetumobil in die Wüste
Der Magnetismus hat einen erfreulichen Nebeneffekt: Lukas entdeckt, dass zwei Steine, die Jim an unterschiedlichen Enden der Insel aufgehoben hat, ausreichen, um aus Emma ein flugfähiges Perpetumobil zu machen. Dafür wird Emmas Segelmast zu einer Konstruktion umfunktioniert, an deren Ende die beiden Eisenbrocken und ein Schürhaken hängen. Zwei Seile baumeln davon herab wie Zügel, mit denen Emma in der Luft gelenkt werden kann. „Das ist alles hochwissenschaftlich und physikalisch erwiesen, dass es funktioniert“, behauptet Matthias Müsse und muss schmunzeln. „Ich vermute, dass Michael Ende solche Ideen bei einem schönen Fläschchen Rotwein entwickelt hat und es mit der Logik nicht allzu ernst nahm.“ Um derartige Momente dennoch glaubwürdig auf die Leinwand übertragen zu können, war viel Originalität gefragt: „Wir haben uns an den Roman-Illustrationen von Tripp orientiert und das Perpetumobil mechanisch funktionabel aussehen lassen, obwohl es allen Naturgesetzen widerspricht.“
Matthias Müsse bezeichnet sich, „was Physik angeht, nicht als die hellste Leuchte“, weshalb er viel Fachliteratur zur Recherche heranziehen musste: „Jetzt weiß ich, dass man Magnetismus nicht aktivieren und deaktivieren kann. Magnetismus ist da oder er ist nicht da. Das geht nur bei einem elektrischen Magneten, aber nicht bei natürlichen Magnetsteinen.“ Dennoch glaubt er, dass die Zuschauer die behaupteten Bilder glauben und unvoreingenommen mitgehen werden. Bei Regisseur Dennis Gansel ist das gelungen: „Die fliegende Emma hat mich schon als Kind fasziniert und ist nun auch eine meiner absoluten Lieblingsszenen im Film.“ Zwar müssen Lukas und Jim die kleine Molly aus Sicherheitsgründen vorübergehend auf Gurumusch zurücklassen, doch mit Magnet- statt Kohlekraft können sie ihre geplante Reise umweltschonend beschleunigen und wollen schnellstmöglich wieder bei Molly sein.
Die Spiegelwüste, in der Herr Tur Tur sein Leben als Scheinriese fristet, gehört zu den wenigen Motiven, die für JIM KNOPF UND DIE WILDE 13 wieder aufgebaut wurden. Nur eine halbe Autostunde von Kapstadt entfernt, türmt sich in der Dünenlandschaft Atlantis Dunes feinster Sand zu sanften Hügeln. „Es ist immer wieder toll, wenn man mit dem Auto um eine Straßenecke biegt und plötzlich in dieser Wüstenlandschaft steht“, sagt Dennis Gansel, dem es große Freude bereitete, ein zweites Mal den sympathischen Scheinriesen Herrn Tur Tur in Szene zu setzen. Je weiter man sich von ihm entfernt, desto größer scheint er zu sein. Nur wer sich nah an ihn heranwagt, erkennt, dass er so groß ist wie jeder normale Mensch. Schauspieler Milan Peschel brauchte nur zwei Stunden Kostüm- und Maskenzeit, um sofort wieder in die Rolle des Scheinriesen hineinzuwachsen: „Das Kostüm und die extreme Maske helfen dabei, eine Figur zu entwickeln oder – wie in diesem Fall – sich wieder in die Rolle hineinzufinden.“ Der markante Hut aus dem ersten Film konnte erneut verwendet werden, das Kostüm wurde überarbeitet und der lange Bart neuangefertigt. Ansonsten sieht Herr Tur Tur aus wie immer: „Er ist ja eine Märchenfigur – und Märchenfiguren sind alterslos“, sagt Milan Peschel, der in der tragischen Figur des Scheinriesen einen philosophischen Ansatz sieht: „Weil die Menschen Angst vor ihm hatten, ging er als Einsiedler in die Wüste, obwohl er ein ganz lieber und geselliger Kerl ist. Seine Sehnsucht, Freunde zu finden, ging erst in Erfüllung, als Jim Knopf und Lukas auf ihrer ersten Reise ans Ende der Welt kamen und ihre Angst vor dem vermeintlichen Riesen überwanden.“
Szenenbildner Matthias Müsse ließ die Oase an bewährter Stelle bauen, gestaltete aber Herrn Tur Turs Holzhütte größer, weil sie diesmal nicht nur als Außenkulisse diente: Jim Knopf geht hinein, um zu überprüfen, welch „schreckliches Biest“ sich dort eingenistet hat, vor dem Herr Tur Tur so viel Angst hat, dass er sich nicht mehr in seine Hütte traut. „Nach seiner Flucht aus der Drachenstadt konnte der Halbdrache Nepomuk bei dem Scheinriesen untertauchen“, erklärt Michael Bully Herbig, der schon im ersten Film dem grünen Mischlingswesen (die Mutter ist ein Nilpferd, der Vater ein Drache) seine Stimme lieh. „Da haben sich zwei gefunden: Nepomuk hält Herrn Tur Tur für einen echten Riesen, und der Scheinriese hält Nepomuk für einen echten Drachen. Da kann man wohl von einer Win-Win-Situation sprechen.“
Bei den Dreharbeiten in Südafrika saßen weder Michael Bully Herbig noch ein echter Halbdrache mit Jim Knopf, Lukas und Herrn Tur Tur am Lagerfeuer. „Nepomuk war nur in unserem Herzen dabei“, sagt Dennis Gansel. Ein kleines Drahtgestell markierte die Stelle, an die der Halbdrache später durch die Effektfirma Trixter als Computeranimation eingearbeitet wurde. Dabei orientierten sich die Animatoren an Szenen, die zuvor von Michael Bully Herbig gesprochen und gespielt worden waren: „Eigentlich war’s genauso schön wie beim ersten Mal“, blickt Herbig auf die Zeit im Tonstudio zurück, „nur der Corona-Mundschutz war ein wenig gewöhnungsbedürftig.“ Regisseur Dennis Gansel attestiert Nepomuk „Funny Bones“ und sieht in dem Halbdrachen einen „klassischen Sidekick, der die Hauptfiguren in witzige Situationen bringt.“ Michael Bully Herbig schätzt an Nepomuk dessen „sehr kindliche und sehr charmante Art“, kann aber auch verstehen, dass er lieber als echter Drachen wahrgenommen und gefürchtet werden möchte. „Mir ist zu Ohren gekommen, dass Nepomuk schon immer ein großer Godzilla-Fan war. Es würde mich also nicht wundern, wenn er bald über Tokio oder New York herfallen würde“, sagt Herbig. Doch Jim und Lukas haben andere Pläne für den Halbdrachen: Er wird Wächter im Gurumusch-Magnetfelsen. Dort hat er es so warm und dunkel und hässlich, wie einst in seinem Vulkan in Kummerland, aus dem die echten Drachen ihn vertrieben haben. Wenn sich Schiffe dem Magnetfelsen nähern, schaltet Nepomuk den Magneten ab, wenn keine Schiffe zu sehen sind, sorgt er für das große Meeresleuchten.
Mandala und der goldene Drache der Weisheit
Als Jim und Lukas feststellen, dass die Piratenbande „Die Wilde 13“ inzwischen auf dem Magnetfelsen war und die kleine Lokomotive Molly entführt hat, reisen sie ins ferne Kaiserreich Mandala, um in der Hauptstadt Ping Hilfe zu holen. Beeindruckte im ersten Film die bombastische Prachtstraße mit Häuserzeilen, die teilweise in der Marlene-Dietrich-Halle in Babelsberg und teilweise am Computer entstanden waren, so zeigt JIM KNOPF UND DIE WILDE 13 ausgewählte Nebenschauplätze des kaiserlichen und bürgerlichen Lebens von Mandala. Der Kaiser (Kao Chenmin) und seine Tochter Li Si (Leighanne Esperanzate) begrüßen die Besucher aus Lummerland im Palastgarten, den Szenenbildner Matthias Müsse in einem privaten Garten an der Jonkershoek Road in Stellenbosch ausstattete. Das Motiv bot bereits einen Teich, sattgrünes Gras und eine beeindruckende Bergkette im Hintergrund. Ergänzt wurden eine Holzbrücke, ein Bootssteg, ein Teepavillon und mehr als 20.000 künstliche Kirschblüten, die in vorhandene Bäume und Büsche eingeflochten wurden. „Der Palastgarten ist ein willkommenes Gegengewicht zu den dunklen und klaustrophobischen Sets in Höhlen und unterirdischen Labyrinthen, von denen der Film ja auch viele bietet“, sagt Matthias Müsse.
Etwas schwierig gestaltete sich die Suche nach den Untertanen des mandalanischen Kaisers. „In Südafrika gibt es nicht so viele Asiaten wie im Großraum Berlin“, sagt Kostümbildnerin Anke Winckler. Liefen 2016 noch 150 Komparsen durch die Kulissenstadt in Babelsberg, beließ es die Produktion diesmal bei wenigen Hofdamen, Lakaien und Gärtnern, die dem Kaiser und seiner Tochter beim Majong-Spielen Gesellschaft leisten. Der winzige Ping Pong, das 32. Kindeskind des kaiserlichen Hofkochs Schuh Fu Lu Pi Plu, leistet Jim Knopf und Lukas in Mandala wieder gute Dienste. Der britische Nachwuchsschauspieler Eden Gough, der den weisen Ping Pong spielt, war bei den Dreharbeiten zum ersten Film fünf Jahre alt und hatte danach nicht aufgehört zu wachsen. „Das Kostüm passte ihm nicht mehr, und leider war auch der damals verwendete Stoff nicht mehr lieferbar“, sagt Anke Winckler. „Also mussten wir das Kostüm eines Bonzen aus dem ersten Film opfern und haben aus einem großen Bonzen einen kleinen Ping Pong geschneidert.“
Ping Pong führt Jim und Lukas zum Goldenen Drachen der Weisheit, in den sich die frühere Frau Mahlzahn inzwischen verwandelt hat. Die magische Kreatur entstand nachträglich an den Computern der Effektfirma Mackevision und wurde erneut von Judy Winter gesprochen. „Sie gibt dem Drachen genau die Tiefe, die Michael Ende beim Schreiben im Sinn hatte“, sagt Regisseur Dennis Gansel. „Im ersten Film war Frau Mahlzahn eine kratzbürstige alte Lehrerin, die ihre Schüler zusammenscheuchte. Doch nachdem Jim und Lukas sie besiegt haben, ohne sie zu töten, kommen nun ihr sanfter Kern und ihre Weisheit zum Vorschein.“ Der pagodenartige Käfig, in dem der Goldene Drache lebt, stand nur ansatzweise im Palastgarten in Südafrika. „Das Dach wurde am Computer ergänzt“, sagt Herstellungsleiterin Uli Fauth. „Die Filmbilder mussten eh bearbeitet werden, um den Drachen einzusetzen, und für den Preis, den wir für ein digitales Dach bezahlen, können wir kein echtes Dach bauen lassen. Da haben wir viel gelernt aus dem ersten Teil.“
Auch Mandala bot ein gewisses Einsparpotential. „Der Zuschauer kennt Mandala, deshalb müssen wir es nicht mehr in voller Größe zeigen“, sagt Uli Fauth. „Es reichen kleinere Stadtviertel, in die jeder Zuschauer die Größe von Mandala hineininterpretieren kann.“ So ist diesmal vor allem ein Altstadtviertel am Hafen zu sehen. „Es ist nicht so prächtig und repräsentativ wie die Hauptstraße, die auf den Palast zuführt“, sagt Szenenbildner Matthias Müsse, „aber man möchte durch diese sympathischen Gassen schlendern und bekommt einen guten Einblick in die faszinierende Welt des exotischen Kaiserreichs.“ Als Basis für das Hafenviertel voller Teestuben und Bonsai-Geschäfte diente eine Kulissenstadt in den Filmstudios von Kapstadt. „Für einen historischen Film war das Philadelphia des 19. Jahrhunderts nachgebaut worden“, sagt Matthias Müsse, „davon haben wir einige Häuser genutzt, andere dazugebaut und die Fassaden im mandalanischen Blau gestrichen.“ Als Fenstergitter dienten Hartfaserplatten, aus denen zuvor Deko-Elemente für die mandalanische Kriegsflotte herausgeschnitten worden waren. „So haben wir nicht nur Material recycelt, sondern auch vermieden, dass man in die Häuser reinschauen kann, die wir andernfalls von innen hätten ausstatten müssen“, verrät Matthias Müsse.
Segelschiffe auf dem Parkplatz
„Rüstet ein Schiff mit Waffen und streicht es in blauer Farbe, gleich den Wellen des Meeres“, sagt der Goldene Drache der Weisheit. „Solcherart schwer zu erkennen, sollt ihr euch treiben lassen vom Wind und der Strömung. Ergreift ihr auch nur einmal in Ungeduld und Eigensinn das Steuer, so werdet ihr den Ort verfehlen. Der Wind wird euch leiten, bis ihr erblickt die blutroten Segel.“ Der Anführer der mandalanischen Seeflotte, Han Gong (Hon Ping William Tang), hält nichts von solchen Rätselspielen. Doch Befehl ist Befehl. Er muss sein Schiff anstreichen lassen, um mit den „Landratten“ Jim und Lukas auf eine ungewisse Reise zu gehen, die zur berüchtigten Piratenbande „Die wilde 13“ führen soll.
„Alle Szenen mit den Schiffen, insbesondere die Seeschlacht, waren mein persönliches Highlight“, sagt Regisseur Dennis Gansel. Schon für den ersten Film konnte er ein Piratenschiff aus der US-Abenteuer-Serie „Black Sails“ nutzen, die ebenfalls in Kapstadt gedreht wurde. Diesmal kamen gleich zwei Schiffe aus der inzwischen eingestellten Serie zum Einsatz. „Wir haben das ein bisschen umgestellt“, sagt Szenenbildner Matthias Müsse. „Das größte Schiff, das im ersten Film unser Piratenschiff war, haben wir jetzt zum mandalanischen Kriegsschiff umgerüstet, um die Überlegenheit der Seeflotte zu unterstreichen.“ Die Produktion hatte das Glück, dass die „Man of War“, wie das Kulissenschiff offiziell heißt, kurz zuvor für den Kinofilm „Monster Hunter“ genutzt und statisch verbessert worden war. „Es ist halt nur eine Filmkulisse, die extremen Witterungsverhältnissen ausgesetzt ist und deshalb schon etwas morsch geworden war“, sagt Matthias Müsse. Nun konnte das generalüberholte Schiff mehrere Aufbauten mit Kanonen tragen und wurde um asiatisch wirkende Details und einen großen Drachenkopf am Bug ergänzt. Alle Segelmaste, die in Wahrheit aus Aluminiumrohren bestanden, wurden so angestrichen, dass sie wie Bambus aussahen. Backbord wurde die Holzverkleidung des Schiffes auf einer Fläche von 20 mal 6 Metern mit blauen Wellen und weißer Gischt bemalt.
Das mandalanische Kriegsschiff konnte sich keinen Millimeter bewegen: weder auf dem Land noch auf dem Wasser. „Wegen der schieren Größe wäre der Aufwand zu groß, es schwimmfähig zu machen“, sagt Matthias Müsse. So stand das Schiff auf einem Parkplatz und wirkte nicht nur auf Regisseur Dennis Gansel wie eine große Fata Morgana: „Das ist ein lustiger Anblick, wenn man von der Autobahn kommt und riesige Segelschiffe am Horizont sieht, obwohl da nur Landschaft und Berge sind und das Meer kilometerweit entfernt ist.“ Riesige grüne Leinwände sorgten dafür, dass hinter den Schiffen nicht die Townships von Kapstadt zu sehen waren, sondern nachträglich Bilder vom Meer eingesetzt werden können.
Kostümbildnerin Anke Winckler entwarf die Uniformen für die mandalanische Seeflotte. „Während für Mandala-Stadt vor allem Samt und Seide verwendet wurden, kam für Mandala-See vor allem Wildseide zum Einsatz, die ein bisschen grober ist und Feuchtigkeit und Meeressalz standhält“, sagt Anke Winckler und erklärt: „Historische Rüstungen wurden in Asien selten aus Metall gefertigt, sondern meist aus geflochtenen oder aufeinandergesetzten Lederplättchen. Daran haben auch wir uns gehalten.“ Für den Anführer der mandalanischen Flotte, Han Gong, wurde das kaiserliche Wappen aus Metall angefertigt und in die Gardeuniform eingearbeitet.
Während Kostüme, die schon im ersten Film zum Einsatz gekommen waren, in mehr als 70 Kisten als Schifffracht nach Kapstadt geschickt wurden, entstanden viele weitere Kostüme erst in den hervorragenden Schneidereien, Schustereien und Werkstätten Südafrikas. Viele handgewebte Stoffe konnten nur in Indien bestellt werden, was die Vorbereitungen manchmal spannender als nötig machte: „Einige Stoffe hingen wochenlang im Zoll fest“, sagt Anke Winckler. „Am Ende ist alles gut gegangen, aber wir mussten in vielen Fällen Spitz auf Knopf produzieren und hatten kaum noch Zeit für eine Anprobe.“ Mehr als 30 Soldaten leisten ihren Dienst auf dem Kriegsschiff. Auch hier war es nicht ganz einfach, asiatische Statisten in Kapstadt zu finden. Die Matrosen sind im wahren Leben Friseur, Bäcker oder Kioskverkäufer und besuchten zwei Wochen lang ein Bootcamp, in dem sie den Umgang mit ihrem Schiff und ihren Waffen lernten und mit militärischem Drill geschult wurden. Zudem wurden vier asiatisch aussehende Stuntmänner aus den USA eingeflogen, die speziell bei der späteren Seeschlacht vom oberen Deck sprangen oder in die Nahkämpfe verwickelt wurden.
Der Anführer der Seeflotte, Han Gong, und sein erster Offizier (Wu Jin Zhao) verlieren allmählich die Geduld, als das blaugestrichene Kriegsschiff schon drei Tage auf dem Meer treibt und nichts passiert. Han Gong nennt das eine „Torheit“ und befürchtet eine Meuterei seiner zur Untätigkeit verdammten Mannschaft. Zu allem Überfluss wird auch ein blinder Passagier an Bord entdeckt: Prinzessin Li Si hat sich als Schiffsjunge getarnt und konnte sich in Mandala auf das Schiff schleichen, obwohl ihr Vater das ausdrücklich verboten hatte. „Von allen Figuren vollzieht Prinzessin Li Si die größte Verwandlung“, sagt Drehbuchautor Dirk Ahner. „Im Roman wird sie als furchtsames, kleines Mädchen dargestellt, aber unsere Film-Li-Si ist eine Kämpferin, die Jim Knopf mit Mut und Entschlossenheit zur Seite steht. Neben der Lokomotive Emma ist sie die wichtigste weibliche Hauptfigur im Film.“ Leighanne Esperanzate genoss die Weiterentwicklung ihrer Rolle sehr: „Ich wurde darauf trainiert, einige Stunts auf dem Schiff selbst zu machen. Das waren die coolsten Szenen, die ich in beiden Filmen drehen durfte.“
Die Warterei auf dem Kriegsschiff hat ein Ende, als am Horizont das Piratenschiff der Wilden 13 auftaucht. Die „blutroten Segel“, von denen der Goldene Drache der Weisheit sprach, ließ Szenenbildner Matthias Müsse in Südafrika nähen, die Zahl 13 kam später digital hinzu: „Kapstadt hat einen großen Hafen mit vielen Jachten und verfügt über hervorragende Werkstätten, die hochwertige Segel nähen können“, sagt Müsse. „Auf dem Studiogelände waren die Segel einer steifen Brise ausgesetzt, aber sie haben gut gehalten.“ Das Piratenschiff im zweiten Film ist gut 30 Prozent kleiner als im ersten Film und stammt ebenfalls aus der US-Serie „Black Sails“. Für JIM KNOPF UND DIE WILDE 13 erhielt das eigentlich recht flache Schiff mehrere Aufbauten, die es höher und martialischer aussehen lassen. Dazu tragen auch die künstlichen Muscheln und Seepocken an den Planken sowie ein vier Meter großes Holzskelett als Gallionsfigur bei. Anders als das mandalanische Kriegsschiff konnte das Piratenschiff an Land bewegt werden. Es war auch schwimmfähig und konnte, motorbetrieben und auf versteckten Rädern, ins Wasserbecken der Capetown Film Studios gefahren werden.
Multiple Piratenpersönlichkeit
Die Wilde 13 wird einmal mehr von einem einzigen Mann gespielt: Rick Kavanian. „Das ist eine absolute Paraderolle für Rick“, schwärmt Dennis Gansel. „Er muss Brüder spielen, die sich wie ein Ei dem anderen gleichen, aber trotzdem alle eine individuelle Note haben.“ Sieben Monate vor Drehbeginn stellte Rick Kavanian die morgendliche Rasur ein und konnte mit stattlichem Eigenbart nach Südafrika reisen. In die vorhandenen Haare wurden dann noch weitere Haare eingeflochten, um den Bart noch voluminöser erscheinen zu lassen. Im ersten Film hatte die Wilde 13 nur einen kurzen, aber markanten Gastauftritt. Damals wurde Rick Kavanian auf verschiedenen Decks des Piratenschiffs gefilmt, damit die Aufnahmen nachträglich zu einem einzigen Bild zusammengefasst werden konnten. „Diesmal wollten wir es maskentechnisch lösen, um am Set schneller und effektiver und letztlich auch kostengünstiger arbeiten zu können“, sagt Maskenbildner Georg Korpás. Deshalb ist nur im Bildvordergrund der „echte“ Rick Kavanian zu sehen, während im Hintergrund fast immer andere Schauspieler, die gleich groß sind und eine ähnliche Statur haben, mit überziehbarer Maske agieren.
Für diesen Trick scannte Georg Korpás Rick Kavanians Gesicht ein und fertigte auf Grundlage eines 3D-Modells insgesamt 25 wiederverwendbare Masken, die noch um Bärte und Augenklappen ergänzt wurden. So ließ sich die Maskenzeit für alle Doubles auf jeweils 15 Minuten verkürzen, während die verwitterte Lederhaut und die Narben in Rick Kavanians Gesicht etwas mehr Zeit in Anspruch nahmen. Die künstlichen Zähne variierten in Färbung und kariösem Zustand, je nachdem welches Mitglied der Wilden 13 Rick Kavanian gerade im Fokus der Kamera spielte. „Obwohl sich alle Piraten zum Verwechseln ähnlich sehen, ist es nicht einfach Copy/Paste, sondern die Brüder unterscheiden sich durch winzige Nuancen“, sagt Georg Korpás. Auch Kostümbildnerin Anke Winckler legte Wert auf feine Details: „Im Roman sehen die Piraten dermaßen gleich aus, dass sie sich selbst nicht auseinanderhalten können. Wir finden es aber besser, wenn sie nicht beliebig austauschbar sind, sondern jeder eine eigene Persönlichkeit darstellt, was sich auch an Kleinigkeiten in der Kleidung zeigt: Einer trägt keinen Gürtel, sondern einen Strick. Der Nächste trägt ein Halstuch oder eine Knochenkette.“
Rick Kavanian fand großen Gefallen an der multiplen Persönlichkeit: „Es gibt natürlich Momente, in denen ich selbst nicht mehr genau wusste, ob ich jetzt Antonio, Fernando oder Maximiliano war, aber das war auch für mich ein tolles Experiment.“ Einige Piraten habe er klar definiert: „Antonio ist der Piratenboss, der die Gruppe im Griff hat und auch so spricht. Fernando ist die Nummer zwei. Er reflektiert die Dinge. Dann gibt es noch Ignazio, der glaubt, er sei der Schönste, und den streitsüchtigen Maximiliano, der ein bisschen an Martin Semmelrogge angelehnt ist. Neben optischen Unterschieden gibt es kleine Nuancen in der Sprache, im Gestus und in der Geschwindigkeit der Reaktionen. Es sind zwar eineiige Zwölflinge, aber hundertprozentig identisch sind sie eben doch nicht.“
Zwölflinge? Die Wilde 13? „Michael Endes Idee war, dass die Wilde 13 eigentlich nur zwölf Piraten sind, die kaum lesen und schreiben und nur ganz schlecht rechnen können“, erklärt Rick Kavanian. „Die sind irgendwann auf die Zahl 13 gekommen, weil die zwölf Brüder jeden Morgen einen Anführer aus ihren Reihen wählen und den versehentlich zum 13. Mann erklärt haben.“ Rick Kavanian beschreibt die Piraten als „ziemlich miese Typen, die sich prügeln, viel trinken und Kinder entführen“, aber auch einen Wandel durchlaufen: „Nachdem Jim Knopf sie bekehrt, werden sie ein wenig zivilisierter – natürlich nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten.“
Die raue Natur der Piraten zeigt sich auch in ihren Kostümen, die in südafrikanischen Schneidereien und Werkstätten hergestellt wurden: von den Lederstiefeln bis zum Hut. „Wir haben uns an großen Piratenfilmen, an der Augsburger Puppenkiste und an historischen Vorbildern orientiert“, sagt Kostümbildnerin Anke Winckler. „Dennis Gansel war es wichtig, dass wir einen Abenteuerfilm für Kinder machen. Natürlich charmant, aber auch spannend. Gerade die Piraten sollten richtig gefährlich aussehen, damit die Zuschauer mitfiebern, ob Jim, Lukas und Li Si die Wilde 13 tatsächlich besiegen können.“
Die erste große Seeschlacht zwischen den Piraten und der mandalanischen Kriegsflotte geht klar zu Gunsten der Wilden 13 aus. Zwar wird das Piratenschiff mit zahlreichen Kanonenkugeln beschossen, doch die prallen einfach von den gepanzerten Planken ab. „Wir hatten das Glück, dass in den Capetown Filmstudios schon viele Seeschlachten gedreht wurden“, sagt Dennis Gansel. „Nicht nur die Kanonen sind vorhanden, sondern auch die Special-Effects-Leute, die solche spektakulären Szenen vorbereiten und ausführen können.“ Mit viel Schwarzpulver und dem guten alten „Theaterblitz“ aus Wien, der auch auf österreichischen Bühnen verwendet wird, konnte die Seeschlacht mit großen Feuerbällen und weißen Qualmwolken inszeniert werden.
„Wir haben uns im Vorfeld überlegt, wie die Wilde 13, die ja wie ein Organismus miteinander lebt und arbeitet, ein gegnerisches Schiff entern könnte“, sagt Dennis Gansel. Dafür wurde eine Konstruktion geschaffen, die mit zwölf langen Seilen an einem großen Kranausleger befestigt wurde. So können die Piraten zeitgleich von ihrem Schiff auf das mandalanische Kriegsschiff schwingen und wie eine Lawine die – zahlenmäßig überlegenen – Soldaten überrollen. In dem wilden Kampf beweisen nicht nur Jim und Lukas, sondern auch Prinzessin Li Si größten Mut. „Im ersten Film war sie das clevere und höfliche Mädchen, aber diesmal erweist sie sich als Kämpferin“, sagt Leighanne Esperanzate. „Sie liebt Jim und tut alles dafür, um an seiner Seite zu sein und ihn zu beschützen. Ich glaube, dass in ihr schon immer eine Abenteurerin schlummerte, die erst jetzt zum Vorschein kommen darf.“ Doch auch Li Si kann in dem Schlachtgetümmel nicht verhindern, dass Jim Knopf über die Reling katapultiert wird und ins Meer fällt. Gedreht wurde im 50 mal 60 Meter großen und bis zu sechs Meter tiefen Wassertank auf dem Gelände der Capetown Film Studios. „Dort konnten wir Taucher einsetzen und mit der Unterwasserkamera zeigen, wie Jim ins Wasser stürzt“, sagt Produzent Christian Becker. Regisseur Dennis Gansel gefiel das besonders: „In fast allen Filmen drehe ich Szenen im Wasser, weil die immer besonders toll anzuschauen sind.“
Jim merkt schnell, dass es sinnlos ist, wieder auf das Schiff klettern zu wollen. Er blickt nach oben und sieht, wie sich Lukas und Li Si ergeben müssen und die mandalanischen Soldaten in einem Netz gefangen werden. Deshalb versteckt er sich in der Gallionsfigur des Piratenschiffs: einem vier Meter großen Skelett. „Im ersten Film wurde dieses Skelett digital ergänzt, aber diesmal haben wir es real gebaut, damit Solomon Gordon darin herumklettern konnte“, sagt Szenenbildner Matthias Müsse. „Das Skelett hat einen Metallkern, der mit Schaum ummantelt ist und mit einer Holzmaserung bemalt wurde. Wir erzählen nicht, dass es das Skelett eines Riesen ist, sondern dass die Piraten es vor langer Zeit aus Holz geschnitzt haben.“ Nach dem Ende der Dreharbeiten wurde das riesige Skelett mit vielen anderen Requisiten als Seefracht nach Deutschland verschifft, um für die Premierenfeier genutzt oder im Filmpark Babelsberg ausgestellt zu werden.
Das Land, das nicht sein darf
Die Wilde 13 steuert ihr Piratenschiff geradewegs in einen Taifun hinein, der im Wasserbecken mit riesigen Windmaschinen erzeugt wurde. Jim muss sich gut an den Rippen des Skeletts festhalten, dann wird er mitsamt des Schiffes in die Luft gewirbelt und verliert bald das Bewusstsein. Als er wieder zu sich kommt, sieht er die Insel der Piraten: „Das Land, das nicht sein darf“ ist ein schwarzer Felsenberg, der von tausend Blitzen zerhackt wurde. Das höhlenartige Innere dieser ungewöhnlichen Festung ließ Szenenbildner Matthias Müsse ebenfalls im Three Arts Theatre im Süden von Kapstadt bauen. Während der Gurumusch-Magnetfelsen die Veranstaltungshalle füllte, entstand die Piratenhöhle im großen Foyer des leerstehenden Gebäudes. „Auch hier haben die südafrikanischen Kulissenbauer großartige Arbeit geleistet“, lobt Matthias Müsse die künstlich erschaffenen Felswände: „Die waren aber nicht von Basalt inspiriert, sondern von porösem Sandstein mit einer löchrigen Struktur. So können wir glaubhaft erzählen, dass die ganze Insel später voll Wasser laufen kann und im Meer versinkt.“ Die Wilde 13 lässt es sich an dem finsteren Ort zunächst gutgehen: Die Piraten trinken ihr letztes Fass Drachengurgel, sitzen auf Eisbärfellen um ein großes Lagerfeuer herum und grillen Sägefisch am Spieß, während Lukas, Li Si, Han Gong und sein Offizier im Verlies gefangen sind. Rick Kavanian war von dem finsteren Piratennest begeistert: „Dieses Versteck war so großartig und liebevoll gebaut, dass ich immer den Eindruck hatte, in einer echten Höhle unterhalb des Meeresspiegels zu drehen.“
Jim Knopf hat Glück, dass die Piraten sich in einen Rausch trinken und er sie nur noch fesseln muss. So gelingt es ihm, seine Freunde zu befreien und in die Schatzkammer vorzudringen, die so voll ist, dass Li Si vermutet: „Die Piraten müssen die halbe Welt ausgeraubt haben.“ Für Matthias Müsse war es die dritte Schatzkammer, die er in seiner Karriere füllen musste. Vorausgegangen waren Schatzkammern in „Hui Buh – Das Schlossgespenst“ (2006) und „Winnetou – Der Mythos lebt“ (2016). „Eine Schatzkammer schluckt unendlich viel Material, so dass man in mehreren Schichten arbeiten muss“, sagt Müsse. „Im Vordergrund sind geprägte Dublonen zu sehen, dahinter Blankomünzen, und weil das in diesem Fall nicht ausreichte, wurden viele tausend handelsübliche Schoko-Taler (es waren Zwei-Euro-Münzen) in die letzten Winkel des Hintergrunds gekippt. Jim und Li Si interessieren sich aber nicht für Münzen und Schmuck. Sie suchen nach dem Körbchen, in dem der neugeborene Jim Knopf einst auf dem Meer trieb, von der Wilden 13 aufgefischt und nach Kummerland zu Frau Mahlzahn verschickt wurde, aber versehentlich auf Lummerland bei Frau Waas landete. In diesem Körbchen liegen Gegenstände und auch ein Brief, der die langersehnte Klarheit bringt, woher Jim Knopf stammt und wer seine Eltern waren.
Die Wilde 13 kann es kaum fassen, dass ausgerechnet ein „Knirps“ wie Jim Knopf sie besiegt hat. Doch noch größer ist die Verwunderung, dass er ihnen das Leben schenkt und Ordnung in das raue Piratenleben bringt, indem er den Brüdern erstmals individuelle Namen gibt. Henning Baum sieht darin den entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte: „Lukas beeinflusst seinen jungen Freund nicht, sondern Jim entscheidet ganz allein, die Seeräuber leben zu lassen und diesen identitätslosen Männern erstmals Namen zu geben. Das sind fast schon biblische Motive, die Michael Ende in diese vermeintliche Kindergeschichte hat einfließen lassen.“ Die Nächstenliebe, die an die Stelle von Rache tritt, sorgt unverhofft dafür, dass Jim Knopf und seine Freunde die schreckliche Insel der Piraten lebend verlassen können und Jims ursprüngliche Heimat, das versunkene Königreich Jamballa, wieder existieren kann, nachdem die zornigen Drachen es einst in den Fluten des Meeres versenkt haben.
Wie es der Goldene Drache der Weisheit befohlen hat, müssen die zwölf kupfernen Türen des Felsendoms zeitgleich geöffnet werden, damit das Wasser hineinstürzt und das Land, das nicht sein darf, versinkt, um Jamballa wieder aus dem Meer emporsteigen zu lassen. Der gewaltige, unterirdische Felsendom wurde für die Dreharbeiten nur zu einem Viertel gebaut. Die drei Kupfertüren wurden durch eine digitale Spiegelung erst auf sechs und dann auf zwölf verdoppelt. Viele Ideen übernahm Matthias Müsse direkt aus dem Roman: „Wenn Michael Ende die kupfernen Türen und deren verrosteten Schließmechanismus schon so dezidiert beschrieben hat, versuche ich, das aufzugreifen und in die reale Welt zu übertragen.“ Mit Hilfe großer Kipptanks konnten mehrere Tonnen Wasser in Sekundenschnelle durch die geöffneten Schleusentüren geschossen werden. Weil die Piraten dabei sofort von ihren Füßen gerissen wurden, kamen für diese Szene nur ausgebildete Stuntleute zum Einsatz. Dieser Stunt war zugleich der 41. und letzte Drehtag in Südafrika. Danach reisten die Schauspieler und der deutsche Teil des Filmteams zurück nach Deutschland, oder besser gesagt: nach Lummerland.
Heimkehr nach Lummerland
„Es war toll, Lummerland wieder zu betreten, da kamen richtig nostalgische Gefühle auf“, sagt Regisseur Dennis Gansel. Zumal Jim Knopf und Lukas am 42. Drehtag endlich wieder auf Frau Waas, Herrn Ärmel und König Alfons den Viertel-vor-Zwölften trafen und die kleine Lummerland-Familie komplett war. „Es gab nicht eine Sekunde Diskussion darüber, ob die Schauspieler auch beim zweiten Film mitmachen wollen“, sagt Produzent Christian Becker. „Alle lieben Michael Endes Geschichte und waren vom ersten Film begeistert, deshalb waren alle sofort wieder mit an Bord.“ Für den wahrscheinlichen Fall einer Fortsetzung war die Lummerland-Kulisse in den Filmstudios Babelsberg erhalten worden und ist seit April 2017 ein fester Bestandteil der Filmpark-Studiotour für Besuchergruppen.
Der gebaute Teil von Lummerland hat eine Grundfläche von 50 mal 60 Metern und ist acht Meter hoch. Die Insel, die laut Roman im tiefen weiten Meer liegt, umfasst einen Berg mit zwei Hügeln (aus denen die Augsburger Puppenkiste „zwei Berge“ machte), das Schloss von König Alfons dem Viertel-vor-Zwölften, den Hauptbahnhof mit Lokschuppen samt Emma, den Kaufladen von Frau Waas und das Wohnhaus des Herrn Ärmel. Szenenbildner Matthias Müsse entwarf Lummerland vor vier Jahren als Inseldorf mit leicht verspielter Architektur nach britischem Vorbild. Ein mit Wasser gefülltes Bassin vor der Kaimauer deutet das Meer an, das nach wenigen Metern vor einer riesigen grünen Wand endet, die später am Computer durch noch mehr Wasser und den Horizont ersetzt werden kann. Der untere Bereich der Berge besteht aus Styroporklötzen, die mit Kettensägen bearbeitet und dann mit einer Schicht aus Beton und Bindemitteln überzogen wurden. Der obere Teil der Berge sowie das Königsschloss und ein Teil der Eisenbahnstrecke wurden später ebenfalls digital am Computer ergänzt.
„Wir haben Lummerland kaum verändert, aber einmal generalsaniert“, sagt Matthias Müsse. Zweieinhalb Jahre nach den Dreharbeiten zum ersten Film brauchten die Häuser und Felsen einen neuen Anstrich, auch die Rasenflächen und Blumen wurden aufgehübscht. Bis auf den künstlichen englischen Rasen vor Herrn Ärmels Haus, wachsen in der Kulisse überall echte Gräser und Pflanzen. Die Statik der Häuser erlaubte es, die zweite Etage von Frau Waas’ Wohn- und Geschäftshaus sicher zu bespielen. Dort wurde unter anderem Jim Knopfs Zimmer gebaut, aber auch der Speicher mit dem Postpaket, in dem Jim einst als Baby nach Lummerland geliefert wurde. Die Inneneinrichtung des Kaufladens wurde mit allem ausgestattet, was schon im Lummerland-Lied der Augsburger Puppenkiste genannt wird: „Hustenbonbons, Alleskleber, Regenschirme, Leberkas, Körbe, Hüte, Lampen, Bürsten, Blumenkohl und Fensterglas, Lederhosen, Kuckucksuhren, und noch dies und dann noch das.“
Regisseur Dennis Gansel war wichtig, Lummerland einmal mehr als einen Ort zu zeigen, „an dem Jim Knopf sich rundum wohlfühlt“ und den er nicht grundlos verlässt: „Die Bonbongläser im Laden, der Gugelhupf auf der Fensterbank, das Kaminfeuer im Wohnzimmer: Das alles strahlt so viel Wärme und heile Welt aus, dass es für Jim ein großes Opfer bedeutet, mit Lukas, Emma und Molly unbekannte Ziele anzusteuern.“ Ginge es nach Frau Waas, dann würde ihr geliebter Ziehsohn sowieso immer bei ihr bleiben: „Mein Rollenauftrag ist es, mütterliche Gefühle für Jim Knopf zu zeigen und die Angst zu bewältigen, dass mir dieses Kind aus den Händen gleitet“, sagt Annette Frier und betont, dass sie im wahren Mutterleben viel cooler ist: „Meine Kinder sind ja noch ganz klein und die bleiben auch immer klein.“ Dank 50er-Jahre-Perücke, Küchenschürze und künstlicher Pfunde fand Annette Frier rasch wieder in ihre liebgewonnene Rolle der einzigen Frau auf Lummerland hinein.
„Die Lummerländer sind märchenhafte Figuren, die alterslos wirken und nicht verändert werden sollten“, sagt Produzent Christian Becker, „trotzdem zeigen wir im zweiten Film auch andere Facetten der Figuren.“ Das gilt zum Beispiel für den immer adrett gekleideten Herrn Ärmel, über den Michael Ende im Roman lediglich schrieb: „Herr Ärmel war der Untertan von König Alfons dem Viertel-vor-Zwölften. Mehr ist über ihn auch nicht zu sagen.“ Christoph Maria Herbst sah das als Steilvorlage für eine eigene Interpretationen der Rolle: „Bislang war es sein Lebenselixier, spazieren zu gehen und regiert zu werden. Doch jetzt bringt ihn der Umstand, dass er im Grunde nichts zu tun hat, in eine Midlife-Crisis mit leichter Depression.“ Das schlägt sich nicht zuletzt in Äußerlichkeiten nieder: „Ich möchte nicht von Verwahrlosung sprechen, aber Herr Ärmel wird ein bisschen fahrlässig mit sich selbst. Die Krawatte sitzt schief, das Jackett ist falsch geknöpft, und die Sardellenfrisur hängt auf einmal in langen Strähnen ins Gesicht hinein.“ Die besagte Sardellenfrisur, bei der notdürftig lange Haarsträhnen über die Halbglatze gekämmt werden, stellte Maskenbildner Georg Korpás diesmal vor größere Herausforderungen als bei den Dreharbeiten zum ersten Film: „Damals kam Christoph mit langen Haaren und eigenem Bart zum Set, aber wegen eines vorangegangenen Filmprojekts glich sein Kopf diesmal einem nackten Osterei. Also haben wir mit einer Perücke gearbeitet und den Bart künstlich verdichtet und verlängert.“
König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte wird erneut von Uwe Ochsenknecht gespielt. „Die Rolle ist wie Skifahren: Das verlernt man nicht“, sagt der Schauspieler. „Dieser gütige, aber leicht verwirrte Monarch war noch auf meiner Festplatte, von der ich ihn nur noch abrufen musste.“ Kostümbildnerin Anke Winckler hielt sich weitgehend an die Königstracht, die Ute Paffendorf für den ersten Teil entworfen hatte. Nur die Krone, die vor Jahren unverhofft Druckstellen am Kopf erzeugte, erhielt diesmal ein weicheres Innenfutter. „Der König hat jetzt mehr zu tun, weil sein Regierungsbezirk durch die Insel Neu-Lummerland gewachsen ist und weil durch die Freundschaft mit dem Kaiser von Mandala auch der Schiffsverkehr zugenommen hat“, sagt Uwe Ochsenknecht. Dass dies gerade bei schlechten Sichtverhältnissen gefährlich werden kann, zeigt sich gleich am Anfang des Films. „Lummerland ist zwar immer noch eine heile Welt, aber wir erleben die Insel diesmal bei Regen und Nebel“, sagt Regisseur Dennis Gansel. Dieser „Cornwall-Stimmung“ trug Kostümbildnerin Anke Winckler mit einer speziellen „Regen-Kollektion“ für die Lummerländer Rechnung. „Frau Waas trägt ein schickes Cape á la Doris Day mit Häubchen, Jim und Lukas tragen wetterfeste Marine-Jacken und Li Si trägt ein kleines Mäntelchen mit Regenhut aus Mandala. Nur Herr Ärmel bleibt seinen Anzügen treu und hüpft zwischen den Regentropfen durch.“
Wie schon im ersten Film gibt König Alfons den Anstoß für eine abenteuerliche Reise, auf die sich Jim und Lukas begeben müssen. Hatte er vor Jahren den Eindruck, Lummerland treibe auf die Überbevölkerung zu, sorgt er sich diesmal um die Verkehrssicherheit. Denn bei Nebel läuft vor der Küste zum dritten Mal das Postboot auf Grund, wodurch nicht nur die Pakete, sondern auch der Postbote in Gefahr geraten. Volker Zack Michalowski verbrachte den ganzen Drehtag damit, aus dem Wasserbecken zu steigen und wieder ins Wasser hineinzufallen. Da sein Postboot nur im Hintergrund zu sehen ist, wurde es diesmal nicht gebaut, sondern später digital ins Bild gerückt. Im trockenen Thronsaal, der in der Villa Brandt in Berlin-Wannsee eingerichtet wurde, sinniert der König darüber, wie er den Schiffsverkehr vor Lummerland sicherer machen kann: Ein Leuchtturm wäre gut, doch für solch ein großes Bauwerk ist in dem kleinen Königreich kein Platz. So kommt der Scheinriese Herr Tur Tur ins Spiel, der äußerst raumsparend mit einer Lampe am Ufer stehen könnte und aus der Ferne allen Schiffsführern ins Auge fallen würde. Also stechen Jim und Lukas mit der schwimmenden Emma samt Molly in See, um Herrn Tur Tur nach Lummerland zu holen und unterwegs viele unverhoffte Abenteuer zu bestehen – die schon Wochen vorher in Südafrika bildstark in Szene gesetzt wurden.
Spezialeffekte in Corona-Zeiten
Am 24. Mai 2019 fiel nach 41 Drehtagen in Südafrika und elf Drehtagen in Potsdam-Babelsberg die letzte Klappe für JIM KNOPF UND DIE WILDE 13. Damit war die Arbeit am Film aber noch lange nicht abgeschlossen. Mehr als ein Jahr waren fünf Spezialeffektfirmen in mehreren Bundesländern und in Südafrika damit beschäftigt, fremde Welten und Wesen zu erschaffen oder gebaute Teilkulissen in eine weite Landschaft einzubetten. „JIM KNOPF UND DIE WILDE 13 ist einer der post-aufwendigsten Filme, die jemals in Deutschland entstanden sind“, sagt Produzent Christian Becker. Zwar enthielt der erste Film 720 VFX-Shots und der zweite Film „nur“ etwa 500, doch die rein digital gebauten Inseln wie Neu-Lummerland und Jamballa oder die rein digital geschaffenen Figuren wie der Goldene Drache der Weisheit und der Halbdrache Nepomuk ließen die Rechner auf Hochtouren laufen.
Mit 5,7 Millionen Euro machten die Kosten für die Computereffekte mehr als ein Viertel des Gesamtbudgets aus. Ohne Fördermittel ist das nicht zu stemmen. „Der FilmFernsehFonds Bayern hat uns gefördert, obwohl wir nicht in Bayern gedreht haben“, sagt Christian Becker. Im Gegenzug sind aber in Bayern ansässige Unternehmen mit den Effekten beauftragt worden. Scanline baute Lummerland und Neu-Lummerland für die Totalen nach, Trixter brachte Nepomuk und den Goldenen Drachen der Weisheit auf die Leinwand. Auch die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg förderte die Postproduktion: In Stuttgart arbeitete Mackevision am Kaiserreich Mandala und an der fliegenden Emma, während Rise FX sich auf die Szenen auf und unter Wasser konzentrierte. In Kapstadt erfolgten derweil bei Refinery zahlreiche VFX-Retuschen. Zu Spitzenzeiten waren bis zu 500 Digital Artists gleichzeitig eingespannt. „Die Branche hat in Deutschland ein sehr hohes Niveau erreicht“, lobt Dennis Gansel, „viele Digital Artists werden auch für die großen Marvel-Filme gebucht. Ich bin besonders begeistert darüber, dass einige von ihnen Marvel-Aufträge abgelehnt haben, um unsere JIM KNOPF-Filme mitgestalten zu können. Da merkt man wieder, wie stark der Roman und die Augsburger Puppenkiste uns alle geprägt haben und was für ein Traumprojekt dieses Abenteuer für alle Beteiligten ist.“
Über viele Monate pendelte Dennis Gansel zwischen Berlin, Stuttgart und München hin und her, um die Postproduktion im Schneideraum und Tonstudio sowie bei den Effektfirmen und beim Komponisten der Filmmusik zu begleiten. Doch dann schlug das Corona-Virus zu, und Dennis Gansel saß ab Mitte März 2020 für viele Wochen zu Hause in Berlin fest. „Zum Glück waren die Dreharbeiten schon ein Jahr zuvor beendet worden und zum Glück waren die Zwischenabnahmen nun dank moderner Technik vom heimischen Arbeitszimmer aus möglich“, sagt der Regisseur, „spätestens aber, wenn es um die finalen Abnahmen geht, müssen alle Beteiligten im Kinosaal zusammenkommen.“ Dies war, dank steigender Corona-Lockerungen, zum Glück im Juni und Juli wieder möglich. Auch die Synchronarbeiten mussten verschoben werden, bis die entsprechenden Tonstudios wieder öffnen konnten. Doch inzwischen sprechen Solomon Gordon, Leighanne Esperanzate, Ping Pong, der Kaiser von Mandala und sein Hofstaat in der deutschen Synchronfassung tatsächlich perfekt Deutsch.
Komponist Ralf Wengenmayr nahm mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg die Filmmusik auf. Er griff nicht nur die Motive auf, die er als Erkennungsmelodie für die Helden und Gegenspieler in „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ geschrieben hatte, sondern komponierte viele neue Themen, zum Beispiel für die Meerjungfrau Sursulapitschi und die Wilde 13. „Es ist ein richtig großer Hollywood-Score, der an moderne Klassiker von John Williams und John Barry erinnert und sehr spielerisch das Erbe der Augsburger Puppenkiste zitiert“, lobt Christian Becker. „Die Musik wirkt wie eine Umarmung für die Zuschauer.“ Natürlich klingt an manchen Stellen unterschwellig der Ohrwurm „Eine Insel mit zwei Bergen“ durch, den der Augsburger Musikpädagoge Hermann Amann einst für die Augsburger Puppenkiste schrieb und dessen Rechte Christian Becker über seine langjährigen Musikberater von Daydream Music Supervising frühzeitig sichern ließ: „Für die deutschen Zuschauer ist das Thema unglaublich wichtig, weil dieser Song tief in uns allen verwurzelt ist.“
Perfekte Familienunterhaltung
„Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ sowie JIM KNOPF UND DIE WILDE 13 markieren das furiose Happy-End einer (fast) unendlichen Geschichte, die auch jenseits der Kinoleinwand ein gewaltiges Abenteuer war: „Christian Becker hat fast 20 Jahre für diese beiden Filme gekämpft und das finanzielle Risiko getragen“, sagt Regisseur Dennis Gansel. „Solch ein Durchhaltevermögen ist unfassbar. Er hat in bester Bernd-Eichinger-Tradition eine Vision gehabt und alles dafür getan, um sie wahr werden zu lassen. Ohne ihn gäbe es diese beiden Filme nicht.“ Das Lob richtet der Regisseur auch an Willi Geike, Deutschland-Chef der Warner Bros. Entertainment GmbH: „Er hat Christian auf diesem langen, steinigen Weg begleitet. Beide sind gute Geschäftsleute, aber in ihrem Herzen eben auch echte Fans und Visionäre. Gemeinsam haben sie Budgets aufgebracht, die in Deutschland noch nie zuvor in Filmprojekte geflossen sind.“
Christian Becker zweifelt keine Sekunde daran, dass sich der Aufwand gelohnt hat: „JIM KNOPF UND DIE WILDE 13 ist eine Abenteuerreise, die noch einmal um ein Vielfaches größer ist als bei „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“. Der zweite Film baut auf dem ersten auf, aber wir erzählen eine komplett eigenständige Geschichte über Freundschaft, Tapferkeit und die Suche nach der eigenen Identität. Der Film verbindet wichtige Themen mit einem spannenden und zugleich vergnüglichen Fantasy-Abenteuer.“
Auch der Regisseur verspricht ein besonderes Kinoerlebnis: „Es wird noch größer, noch spannender und noch existenzieller. Jim Knopf ist an der Schwelle zum Teenager. Er verliebt sich zum ersten Mal und er löst endlich das Geheimnis seiner Herkunft. Es gibt ein Wiedersehen mit allen Lummerländern und Mandalanern, mit Herrn Tur Tur und Nepomuk, aber wir zeigen auch neue tolle Figuren. Und es kommt zum finalen Kampf gegen die Wilde 13. Diesmal geht es tatsächlich um Leben und Tod, aber trotzdem ist die Geschichte auch zum Brüllen komisch.“
Henning Baum ist überzeugt, dass Michael Ende von der Realverfilmung seiner Romane begeistert wäre: „Alle Abteilungen der Produktion haben sich in den Stoff hineingekniet und Michael Endes Ideen liebevoll umgesetzt. Nichts wurde verfremdet, sondern zeitgemäß auf die Leinwand gebracht.“ Der Schauspieler hält die Filme für die perfekte Familienunterhaltung: „Eine Geschichte ist dann gut, wenn sie komplex ist und mehrere Ebenen hat, sodass die Kinder sie als spannendes Märchen empfinden, aber die Erwachsenen auch die vielen Anspielungen und Botschaften verstehen. Michael Ende hat zweifelsohne ein Plädoyer für die Phantasie geschrieben. Und gerade in unserer heutigen Zeit, in der für viele nur noch das Rationale, Berechenbare und Messbare zählt, brauchen wir die Phantasie nötiger als je zuvor.“ Schon bei den Dreharbeiten zu „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ schätzte Hennig Baum, dass alle Gewerke der Produktion perfekt ineinandergriffen und ein „bildgewaltiges Epos“ schufen. Der zweite Film habe dies noch einmal toppen können: „Es gibt noch mehr Spannung, Tempo und Action, weil wir mit der Wilden 13 einen Antagonisten haben, der schwer zu besiegen ist. Im ersten Film mussten Jim und Lukas viele kleine Etappen meistern, aber im zweiten Film ist der Feind ganz klar definiert: die Piraten!“
Annette Frier erkennt eine klare Botschaft im Film: „Es geht um die Fragen des Lebens: Wer bin ich? Was will ich sein? Und was werde ich sein? Der zweite Film fokussiert sich noch stärker auf Jim und Lukas und auf deren Freundschaft.“ Dabei verbinde der Film die philosophischen Fragen mit einer „Hollywoodästhetik“, von der Annette Frier schon beim ersten Film überwältigt war: „Ich hatte alles viel kleiner und leiser erwartet, aber bei der Premiere geriet ich in einen Sog aus Tönen und Bildern, die den Film zu einem spannenden, modernen und wunderschönen Abenteuer mit viel Herz und Seele machen.“ Christoph Maria Herbst spricht von „Family Entertainment allererster Güte“, weil jede Altersgruppe auf ihre Kosten kommt: „Der Film bringt alle Augen zum Leuchten, aber die Augen leuchten aus ganz unterschiedlichen Gründen: Bei den Eltern ist es ein Wiederentdecken des Buches, der Hörspiele und der Augsburger Puppenkiste. Und bei den Kindern ist es die Begeisterung für die großen Bilder voller Emotion, Action und Komik.“
Rick Kavanian ist von der Größe beider JIM KNOPF-Filme beeindruckt: „Ich hatte schon beim Lesen der Drehbücher bestimmte Vorstellungen, aber die wurden beim Anschauen der fertigen Filme komplett übertroffen. Dennis Gansel und sein Team haben Michael Endes grenzenlose Phantasie in unglaubliche Bilder übersetzt.“ Uwe Ochsenknecht erkennt in den Filmen nicht zuletzt einen wunderbaren Kreislauf seines eigenen Lebens: „Meine Generation ist mit den Romanen und der Augsburger Puppenkiste aufgewachsen. Diese Zauberwelt hat meine Kindheit geprägt und mich unterschwellig ein Leben lang begleitet. Dass ich nun als Erwachsener in der Verfilmung mitspiele und ein Teil dieser Zauberwelt sein darf, ist natürlich ein unglaubliches Geschenk.“
Drehbuchautor Dirk Ahner schätzt an Michael Endes Klassiker das hohe Maß an Aktualität: „Nach über 15 Jahren, die ich mich inzwischen mit dem Stoff beschäftige, sind mir Jim und Lukas sehr vertraut geworden. Sie haben keine Vorurteile. Sie begegnen dem Unbekannten mit großer Neugier und Offenheit. So gelingt es ihnen, die größten Hindernisse zu überwinden und Freunde zu finden. Für mich ist das vielleicht der wichtigste Gedanke von Jim Knopf: Das Leben ist ein großes Abenteuer, also hab‘ keine Angst und stürze dich mitten hinein! In einer Zeit, in der Populisten weltweit ihre Macht dadurch festigen, dass sie Furcht vor allem Fremden schüren, ist diese Botschaft wieder sehr aktuell.“
Michael Endes Erbenvertreter Roman Hocke ergänzt: „In beiden Filmen ist sehr viel Michael Ende enthalten – von seiner ganz eigenen Sicht auf die Welt. Tatsächlich haben sich Christian Becker, Dennis Gansel und Dirk Ahner so nah, wie es filmisch eben möglich ist, an die Originalgeschichte und den Geist des Buches gehalten. Für uns, die wir mit Michael Ende zusammengearbeitet und ihn persönlich gekannt haben, war es ein großartiges Erlebnis, zu sehen, wie sehr sich alle Beteiligten mit dem Roman auseinandergesetzt haben, wie stark er ihre Kindheit geprägt hat und wie sehr sie ihn bis heute schätzen. Uns hat es imponiert, wie viel Herzblut und Leidenschaft das gesamte Team in diese Filme gesteckt hat.“
Christian Becker gibt diesen Dank zurück: „Wir alle sind wahnsinnig glücklich, dass wir die Möglichkeit hatten, diese Geschichte erzählen zu dürfen. Und jeder, der dabei war, ist begeistert. Die Reise, die im Jahr 2003 begann, findet jetzt ein Ende. Wir haben die zwei Bände, die Michael Ende einst als einen einzigen Roman geschrieben hat, werkgetreu auf die Leinwand gebracht und sind dankbar, glücklich und stolz auf das Ergebnis. Wenn ich bei der Premiere oder bei Festivals hunderte von Kindern sehe, die gebannt dasitzen und bei jeder Szene mitgehen, dann weiß man, dass wir alle zusammen etwas Großes geschaffen haben, durch das auch Michael Endes wunderbares Erbe für weitere Generationen lebendig bleibt.“
Die Geschichte von Jim Knopf
Der Zufall ereignete sich 1956 im Münchner Stadtteil Schwabing. Michael Ende traf einen ehemaligen Schulkameraden. Der arbeitete als Grafiker und sagte: „Ich höre, du bist Schriftsteller geworden. Wie wäre es denn mit einem Text, aus dem wir beide ein Bilderbuch machen können?“ Michael Ende ging nach Hause, setzte sich an seine Schreibmaschine und tippte, ohne groß darüber nachzudenken, einen ersten Satz aufs Papier: „Das Land, in dem Lukas der Lokomotivführer lebte, war nur sehr klein.“
Der Schriftsteller war zu diesem Zeitpunkt 26 Jahre alt und hatte schon vieles ausprobiert. Der Sohn eines Malers und einer kunstinteressierten Mutter war ein schlechter Schüler, dem die Lehrer „zu viel Phantasie” vorwarfen. Durch die finanzielle Unterstützung von Bekannten bekam Michael Ende die Möglichkeit, seine letzten beiden Schuljahre in der wiedereröffneten Freien Waldorfschule in Stuttgart zu verbringen. Er startete erste Schreibversuche, die kein Geld brachten, und besuchte die Schauspielschule Otto Falckenberg in München. Er wollte allerdings kein Schauspieler werden, sondern den Grundstein für eine Karriere als Theaterautor legen. Denn Ende war überzeugt: „Nur das gesprochene Wort ist das wahre, gültige Wort.” Er spielte an mehreren Regionaltheatern und schrieb Texte für das politische Kabarett. Ab 1954 war er auch als Filmkritiker für den Bayerischen Rundfunk tätig.
An einem Kinderbuch hatte sich Michael Ende noch nie versucht. Und als er den ersten Satz getippt hatte, wusste er nicht, wie der zweite Satz lauten sollte. „Ich hatte keinerlei Plan zu einer Geschichte und keine Idee“, gestand er später. „Ich ließ mich einfach ganz absichtslos von einem Satz zum anderen, von einem Einfall zum nächsten führen. So entdeckte ich das Schreiben als ein Abenteuer. Die Geschichte wuchs und wuchs, immer mehr Gestalten stellten sich ein, Handlungsfäden begannen zu meinem eigenen Erstaunen sich durcheinander zu weben.“ Diese Arbeitsweise verglich er mit dem Vorgehen eines Malers. Denn auch dieser Künstler habe oft nur eine vage Idee davon, was er malen wolle, und lasse während des zufälligen Arbeitsprozesses aus vielen Farben etwas Besonderes entstehen.
„Edgar Ende, Michael Endes Vater“, so Roman Hocke, „war ein sogenannter phantastischer oder auch visionärer Künstler. Um seine Bildideen zu finden, verdunkelte er sein Atelier und versetzte sich in eine Art Wachschlaf. Stundenlang verharrte er auf diese Weise, bis die Visionen aus dem Dunkel kamen und er sie mit einem Stift, an dem eine kleine Lampe befestigt war, skizzierte. Nach dieser Kindheit und dieser lebenslangen Schulung seiner Phantasie, also der schöpferischen Talente, scheint es kein Wunder, dass Werke wie ,Jim Knopf‘, ,Momo‘, ,Die unendliche Geschichte‘ oder auch der ,Wunschpunsch‘ entstanden sind. Michael Endes Motto lautete: ,Denn danach suchen wir doch letzten Endes nur, die Poesie im Leben zu verweben, im Leben selbst die Poesie zu finden.‘“
Nach zehn Monaten war das 500 Seiten lange Manuskript mit der Geschichte von Jim Knopf, Lukas und ihrer Lokomotive Emma fertig. Michael Ende ging in eine Buchhandlung und notierte die Namen und Adressen vieler Kinderbuchverlage. Als der erste sein Werk ablehnte, schickte Ende das Manuskript an den zweiten Verlag. Und an den dritten, vierten, fünften. „Erfolg ist eine Portofrage“, sagte er später rückblickend. Erst der zwölfte Verlag, Thienemann in Stuttgart, wollte seine Geschichte drucken, allerdings in zwei Teilen. „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ erschien 1960, mit Illustrationen von Franz Josef Tripp. Der Verkauf lief schlecht, bis das Buch im Sommer 1961 den Deutschen Jugendbuchpreis erhielt. Das Preisgeld und der angekurbelte Verkauf retteten Ende vor dem finanziellen Ruin. Plötzlich berichteten die Medien über ihn, es folgte eine ausgesprochen gut besuchte Lesereise durch Deutschland. 1962 veröffentlichte der Thienemann Verlag den Folgeband „Jim Knopf und die Wilde 13“, der erwartungsgemäß ein großer Erfolg wurde.
Die Augsburger Puppenkiste verfilmte beide Bände 1961 und 1962 in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Rundfunk für die ARD. Die jeweils fünf Folgen, damals noch in Schwarzweiß gedreht, wurden ab 1966 mehrmals in gekürzter Fassung wiederholt. 1977 und 1978 strahlte die ARD die bunten Neuverfilmungen der Augsburger Puppenkiste mit jeweils vier Folgen aus. Sie prägten über Jahrzehnte das Bild, das junge und ältere Zuschauer von Jim Knopf, Lukas und den anderen Bewohnern von Lummerland hatten. Manfred Jennings, verdienter Hausautor, Dramaturg, Regisseur und Spieler der Augsburger Puppenkiste, inszenierte die Fernsehadaption und sprach Lukas den Lokomotivführer. Kurz darauf, im Jahr 1979, starb Manfred Jennings nach langer schwerer Krankheit mit nur 50 Jahren.
Michael Ende verfasste Hörspielfassungen seiner erfolgreichen Bücher, führte selbst Regie und übernahm die Rolle des Erzählers. Sie erschienen auf mehreren Langspielplatten und Audiokassetten. Der Erfolg seiner Romane brachte Michael Ende finanzielle Unabhängigkeit, aber nicht die Anerkennung der Literaturkritiker. Sie warfen ihm vor, ein „Schreiberling für Kinder“ zu sein, dessen positiv gestimmte Märchen die jungen Leser noch nicht einmal auf das richtige Leben vorbereiten. Auch die Tragikomödie „Die Spielverderber“, mit der Michael Ende 1967 das erwachsene Theaterpublikum gewinnen wollte, wurde von der Kritik zerrissen. 1971 zog er mit seiner Frau, der Schauspielerin Ingeborg Hoffmann, nach Italien. Das Paar ließ sich südöstlich von Rom nieder. Ende betonte, dass man in Italien nicht zwischen realistischer und fantastischer Literatur trenne, sondern es dort, anders als in Deutschland, nur auf die Qualität des Geschriebenen ankomme: „Man darf von jeder Tür aus in den literarischen Salon treten, aus der Gefängnistür, aus der Irrenhaustür oder aus der Bordelltür. Nur aus einer Tür darf man nicht kommen, aus der Kinderzimmertür. Das vergibt einem die Kritik nicht. Ich frage mich immer, womit das eigentlich zu tun hat, woher diese eigentümliche Verachtung alles dessen herrührt, was mit dem Kind zu tun hat.“
Mit „Momo“ (1973) und „Die unendliche Geschichte“ (1979) schrieb Michel Ende zwei weitere Romane, die bis heute zu den erfolgreichsten und beliebtesten Büchern im deutschsprachigen Raum gehören. Seine Werke wurden in mehr als 40 Sprachen übersetzt und erreichten in Europa, in Amerika und in Asien eine Gesamtauflage von fast 30 Millionen. Die Romanverfilmungen „Die unendliche Geschichte“ (1984, Regie: Wolfgang Petersen) und „Momo“ (1986, Regie: Johannes Schaaf) sowie deren Fortsetzungen halten außerdem die Erinnerung an Michael Endes Romanhelden und deren phantastische Geschichten wach.
In den Jahren 1999 und 2000 entstanden die 52 Folgen der deutsch-französischen Zeichentrickserie „Jim Knopf“, die bis heute auf verschiedenen Fernsehsendern ausgestrahlt werden. Im März 2018 kam die erste Realverfilmung von „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ in die Kinos. Mehr als 60 Jahre, nachdem Michael Ende die phantastische Heldenreise der ungleichen Freunde erfand, adaptierten Regisseur Dennis Gansel und Produzent Christian Becker diesen zeitlosen Literaturklassiker, setzten dabei auf alle Möglichkeiten der modernen Kinomagie und feierten zugleich die nostalgischen Momente, die Generationen von Kindern und Eltern mit Michael Endes Meisterwerk verbinden. Mit dem zweiten Film, JIM KNOPF UND DIE WILDE 13 (Kinostart: 20. Oktober 2020), findet die Realverfilmung nun ein großartiges Ende.
Quelle: Presseheft Warner, Blickpunkt Film