Hui Buh, das Schlossgespenst (2006)
Verleih: Constantin Film
Produktion: RatPack Filmproduktion, GFP
Regie: Sebastian Niemann
Produzent: Christian Becker
Co-Produzenten: Martin Moszkowicz, Robin von der Leyen, David Groenewold
Drehbuch: Dirk Ahner, Sebastian Niemann
Kamera: Gerhard Schirlo
Szenenbild: Matthias Müsse
Kostümbild: Janne Birck
SFX-Maske: Georg Korpás
Schnitt: Moune Barius
Musik: Egon Riedel
Darsteller: Michael „Bully“ Herbig, Christoph Maria Herbst, Ellenie Salvo Gonzáles, Heike Makatsch, Hans Clarin, Nick Brimble, Martin Kurz, Rick Kavanian, Wolfgang Völz
Kinostart: 20. Juli 2006
Fakten zum Film
Drehzeit: 14. Februar – 29. April 2005 in Prag
Anzahl der Einstellungen, die nicht im Studio gedreht wurden: 1
Lauflänge: 102 Minuten
Effekt-Einstellungen: ca. 680
Story
Als einziges behördlich zugelassenes Gespenst hat Hui Buh ein herrliches Geisterleben auf Schloss Burgeck. Er kann friedlich und völlig ungestört durch sein märchenhaftes Gemäuer spuken. Der einzige Sterbliche weit und breit ist der alte Kastellan (Hans Clarin), der das Schloss verwaltet. Hui Buh hat nur ein Problem: er ist nicht gruselig. Trotzdem kann er es nicht lassen, ab und zu seine Spuk-Künste am Kastellan auszuprobieren. Und der Alte gibt sein Bestes, sich wenigstens ein bisschen erschrecken zu lassen…
Diese Idylle wird gestört, als plötzlich König Julius der 111. (Christoph Maria Herbst) auftaucht, um sein Erbe auf Schloss Burgeck anzutreten. Bei einem prächtigen Empfang will er die Verlobung mit der liebreizenden Leonora Gräfin zu Etepetete (Heike Makatsch) bekannt geben.
Dabei hat er die Rechnung ohne Hui Buh gemacht, der die störenden Sterblichen natürlich so schnell wie möglich wieder loswerden will. Er macht König Julius einen kräftigen Strich durch die Rechnung und bringt seinen Empfang ordentlich durcheinander. Lachen kann darüber nur Tommy (Martin Kurz), der kleine Sohn von Leonoras Zofe Konstanzia (Ellenie Salvo Gonzales).
Wütend verbrennt Julius Hui Buhs Spuklizenz. Er ahnt nicht, was er damit anrichtet: kurz darauf taucht der unheimliche Daalor auf, ein Beamter der Geisterbehörde. Er nimmt Hui Buh seine rostige Rasselkette nebst Geisterschlüsselbund ab. Hui Buh hat zwei Tage Zeit, seine Gespensterprüfung zu wiederholen. Wenn er durchfällt, wird er in die gefürchteten „Seelensuppe“ gesteckt.
Es sieht so aus, als ob König Julius sein Ziel erreicht hätte. Er ist den Plagegeist los. Doch dann muss er feststellen, dass er vollkommen pleite ist. Sogar sein Adjutant Charles (Rick Kavanian) lässt ihn im Stich, als er feststellt, dass bei Julius kein Heller mehr zu holen ist. Julius und Hui Buh müssen erkennen, dass es nur einen Weg gibt, ihre Probleme zu lösen: sie müssen zusammenarbeiten.
Gemeinsam machen sich die beiden ungleichen Helden in die geheimnisvolle Geisterstadt auf, um sich in ein haarsträubendes Abenteuer zu stürzen…
Interview mit Sebastian Niemann und Christian Becker
Herr Niemann, warum hat eigentlich vor Ihnen noch niemand HUI BUH verfilmt?
Niemann: Das habe ich mich auch gefragt, weshalb ich mit der Idee zu Christian Becker gegangen bin, ich glaube, es war Anfang 2001. Anstelle einer Antwort öffnete er einen Schrank, der voll war mit HUI BUH-Kassetten. Er war wie ich seit seiner Kindheit ein großer Fan der Hörspiele.
Becker: Ich war schon mal auf die Idee gekommen und hatte mir zu Recherchezwecken bereits 1999 noch einmal alle Hörspiele besorgt. Dann habe ich die Idee aber aus den Augen verloren bis zu dem Moment, als Sebastian auftauchte. Ab diesem Moment wussten wir beide: HUI BUH muss das Licht der Leinwand erblicken, koste es, was es wolle.
Erfunden wurde HUI BUH von dem Schriftsteller Eberhard Alexander-Burgh. War vermutlich nicht ganz einfach, an die Rechte zu kommen.
Becker: Kann man wohl sagen. Zuerst haben wir ihm eine E-Mail geschrieben, ohne Reaktion. Dann haben wir uns getraut, ihn mal anzurufen. Da sind wir böse abgeschmettert worden, denn Eberhard Alexander-Burgh hatte nur Sprechzeiten zwischen 21 und 23 Uhr.
Niemann: Wir dachten uns: Super, das passt ja zu einem Autor von Geistergeschichten!
Becker: Das war 2001, Alexander-Burgh war damals 72 Jahre alt.
Als Sie dann das erste Mal mit ihm konkret geredet haben, was haben Sie ihm denn da für die Rechte geboten?
Becker: 80.000 Euro. War offenbar nicht genug, denn Alexander-Burgh antwortete nur: „Herr Becker, Sie bieten mir ein Fahrrad, ich aber will einen Ferrari.“ „Okay“, sagte ich darauf, „ich bin einer Ihrer größten Fans, und es gibt keine Summe, über die man nicht reden kann. Nennen Sie doch mal eine.“ Und er: „Die können Sie sich eh nicht leisten.“
Wie lange haben Sie dann verhandelt?
Becker: Fast drei Jahre. Er wollte immer wieder abbrechen, denn eigentlich wollte er die Rechte gar nicht verkaufen. Er war sehr skeptisch, was eine Filmumsetzung von HUI BUH angeht, er hatte eigentlich genug Geld.
Niemann: Aber er war Autor und als solcher fand er die Idee schon spannend, seine Schöpfung auf der Leinwand zu sehen. Wir wussten, wir können ihn nur mit einem tollen Drehbuch und Umsetzungskonzept überzeugen.
Becker: Und er wollte unbedingt ein Huschen in Kleinmachnow, einem Ort südwestlich von Berlin. Weshalb wir ihm dann vorgeschlagen haben, ihm das Huschen zu kaufen – im Tausch gegen die Filmrechte. Wollte er aber auch nicht. Er war ein eigenwilliger Mann (lacht).
Und wie haben Sie die Kuh dann vom Eis bekommen?
Becker: Wir haben einfach angefangen, ein Drehbuch auf eigenes Risiko zu entwickeln, wir wollten ihn mit einem guten Drehbuch überzeugen.
Niemann: Dazu muss man aber wissen: Bisher sind von den HUI BUH-Geschichten ca. 26 Millionen Tonträger verkauft worden. So etwas muss man erst mal schaffen!
Wann haben Sie und Ihr Co-Autor Dirk Ahner mit dem Drehbuch angefangen?
Niemann: 2002, da war noch völlig offen, ob Alexander-Burgh die Rechte hergibt. Dirk und mir war klar, dass sehr viel davon abhing, wie überzeugend das Drehbuch sein würde.
Becker: Wir hatten uns damals schon überlegt, wer HUI BUH sprechen könnte. Hans Clarin kam ja leider nicht in Frage, denn wir wussten, dass er krank war. Ziemlich schnell kamen wir aberdann auf Bully, der auch sofort begeistert war.
Haben Sie Eberhard Alexander-Burgh in Berlin gezeigt, was Sie geschrieben hatten?
Niemann: Wir waren erst bei ihm, als wir eine Drehbuchfassung hatten, mit der wir zufrieden waren. Er war überrascht und meinte, dass es ein richtig guter Film werden wrde. Meinem Co-Autor Dirk und mir fiel ein Stein vom Herzen, denn wir hatten mit seinen Figuren und auf der Grundlage seiner Hörspiele eine völlig neue Geschichte entwickelt und waren natürlich gespannt, was er dazu sagt. Wir saßen viele Tage auf der Couch in seiner Berliner Wohnung und haben Ideen ausgetauscht. Ich glaube, ihm gefiel der Gedanke, dass sein HUI BUH noch viele Generationen weiter spuken wird.
Die Hörspieldramaturgie trägt nicht für ein 90-Minuten-Format.
Niemann (nickt): Wir haben schnell gemerkt, dass die Hörspiele sehr episodisch aufgebaut sind, eher eine Fünf-Minuten-Dramaturgie haben. Wir aber brauchten einen großen dramatischen Bogen, so dass uns schnell klar war, dass wir was Neues aus dem Alten schaffen mussten.
War er kooperativ, als Sie in Berlin alles mit ihm durchgingen?
Niemann: Ja. Ich glaube, es war auch für ihn sehr spannend. Ein kleines Beispiel: Bei Eberhard Alexander-Burgh wird Ritter Balduin zu HUI BUH, weil er beim Schwarzen Peter betrügt. Da haben wir ihn gefragt: „Wie betrügt man beim Schwarzen Peter? Also bei einem Spiel, bei dem jeder jeden betrügt?“ Als wir dann am nächsten Tag wieder zu ihm kamen, sagte er, dass er über Nacht noch mal alles über das Kartenspiel Schwarzer Peter gelesen habe, und tatsächlich, es sei unmöglich, dabei zu betrügen, das gehe nicht. Im Hörspiel hatte dies über Jahrzehnte niemand bemerkt – im Film wäre das sofort aufgeflogen.
Zu dem Zeitpunkt hatte er aber noch immer nicht den Vertrag unterschrieben, richtig?
Becker: Ja, es war ein langer Weg, der schliesslich in die Endrunde ging, als das Drehbuch fertig war und wir kurz vor dem Dreh standen.
Und wie kam es dann zu dem großen Finale, der Unterzeichnung dieses vertraglichen Jahrhundertwerks?
Becker: Das ist fast ein eigener Film. Denn Herr Alexander-Burgh wollte keine Überweisung auf sein Konto, er akzeptierte auch keinen Scheck, nicht mal einen, der zusätzlich von allen Bankdirektoren aller beteiligter Banken unterzeichnet gewesen wäre. Er wollte nur eines: Bares Geld sehen.
Bei einer so großen Summe kein einfaches Unterfangen.
Becker: Wohl wahr. Er sagte, er wolle erst unterschreiben, wenn er das Geld bar gesehen hätte. Was dazu führte, dass an einem Montag in aller Herrgottsfrüh der Produktionsvorstand und der Prokurist der Constantin nach Berlin geflogen und dort zur Landeszentralbank gefahren sind. Dort hoben sie das Geld ab, packten die eingeschweissten Bündel in zwei Rucksäcke und fuhren mit dem Taxi zu einer Zweigstelle der Deutschen Bank am Kurfürstendamm, wo Alexander-Burgh mit seiner Frau und mir schon wartete. Fast zwei Stunden lang zählten dann zwei Mitarbeiter der Bank das Geld und prüften es. Unten auf der Strasse stand bereits der Geldtransporter bereit, um das Geld wieder wegzuschaffen, denn es war zu viel für die kleine Filiale. In zwei Schüben musste das Geld schliesslich runtergebracht werden, weil man auf einmal nicht so viel durchs Haus tragen durfte.
Und dann war’s soweit.
Becker: Ja, aber erst in dem Moment, in dem er die Bestätigung in den Händen hielt, dass dieses Geld seinem Konto gutgeschrieben worden war. Erst dann unterschrieb er den Vertrag. Wie gesagt: Er war ein eigenwilliger Mann.
Niemann: Sieben Tage später ist er gestorben, am 21. Oktober 2004. Wir waren total geschockt, und irgendwie war es auch ein wenig unheimlich.
Becker: Das ganze Geld ist dann übrigens an das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf gegangen und an verschiedene Waisenhäuser.
Seine Frau hat es nicht geerbt?
Becker: Nein, von diesem Geld nichts, ich denke, es ist auch so genug da. Alexander-Burgh hatte mir gesagt, dass er das eh nicht behalten wolle: Das Geld sei von den Kindern gekommen, und an die Kinder solle es auch wieder zurückgehen. Ich finde das eine tolle Sache und bin froh, dass das Geld, um das wir ja lange gekämpft haben, jetzt den Kindern zugute kommt. Der Kreis schließt sich.
Niemann: Aber wir haben seine Frau einmal ein Wochenende zu den Dreharbeiten eingeladen, und sie sagte nach der Besichtigung der Drehorte, dass es Eberhard Alexander-Burgh bestimmt extrem gut gefallen hätte, was wir dort gemacht haben.
HUI BUH, das Schlossgespenst, ist auf den Hörspielcovern als Skelett abgebildet, im Film sieht es aber Bully Herbig verteufelt ähnlich. Warum?
Niemann: Ein Skelett kann keine Emotionen transportieren, es kann weder traurig noch glücklich sein. Das funktioniert auf einem gemalten, unbeweglichen Plattencover, nicht aber im Film. Ein Schädel kann, grob gesprochen, nur den Mund auf und zu klappen.
Becker: Ausserdem sieht HUI BUH nicht aus wie Bully, sondern wie Ritter Balduin. Der wird zwar auch von Bully gespielt, aber hinter den Figuren steckt ein ausgefeiltes Charakterdesign.
Niemann: Ja. Wir haben ber zwei Jahre am Look von Balduin und HUI BUH gearbeitet. Jedes Mal, wenn wir etwas an der einen Figur verändert haben, mussten wir auch die andere modifizieren. Im Film sehen wir, wie aus Ritter Balduin das Gespenst HUI BUH wird, alles in wenigen Minuten. Das ist ein wichtiges Element der Hörspiele, darüber brauchte man sich bei der Gestaltung der Plattencover keine Gedanken zu machen.
Hat Ihnen eigentlich Eberhard Alexander-Burgh mal erzählt, wie er auf die Idee mit dem erfolglosen Schlossgespenst kam?
Niemann: Ja, das war in den fünfziger Jahren. Er lag wohl im Bett, als ihm die Idee kam. Und da er neben dem Bett immer was zu Schreiben hatte, hat er sich gleich alles notiert. Damals hat er sich bestimmt nicht gedacht, dass er damit einer der erfolgreichsten Autoren für Kinder- und Jugendliteratur wurde.
Etat eingehalten?
Becker: Im Großen und Ganzen ja. Die Postproduktion ist etwas teurer geworden. Aber als ich gesehen habe, was wir da für fantastische Bilder bekommen, haben wir alles noch ein wenig aufgestockt: Wir verwenden eine opulentere Musik, der Geist ist durchsichtig geworden – Kleinigkeiten, die das Erlebnis noch reicher machen.
Was sind die gestalterischen Überlegungen, wenn man einen Hörspielklassiker auf die Leinwand bringt?
Niemann: Da gibt es Millionen Details. Für mich sind es aber immer drei Ebenen: Die Schauspieler, der Look und die Tonebene. Alles muss zu der Geschichte passen und sich gegenseitig befruchten. Gerade bei einem Film wie HUI BUH steht und füllt natürlich alles mit der Besetzung, über der Christian Becker und ich monatelang gebrütet haben. Jede einzelne Rolle war eine Herausforderung fr sich. Ich fange auch gerne sehr früh mit dem optischen Konzept an. Das hilft auch bei der Arbeit mit den Schauspielern. Ein bestimmtes Umfeld und bestimmte Kostüme geben den Figuren einen Rahmen, aber auch Werkzeug an die Hand. Ton und Musik geben dem Ganzen dann den letzten Schliff und stützen die Emotionen.
Warum haben Sie in Prag gedreht?
Niemann: Ich hatte mir einen sehr märchenhaften und verwunschenen Look vorgestellt. Uns war schnell klar, dass wir all dies nur mit Studiobauten erschaffen konnten. Mit großen Bauten und vielen liebevollen Details. Fr dieses riesige Bauvolumen und die Qualität, die wir brauchten, ist Prag ideal.
Becker: Wir hatten schon seit „7 Days to live“ tolle Erfahrungen in Prag gemacht. Auch viele große Hollywood-Produktionen gehen aus denselben Gründen dorthin: Die haben dort wahnsinnig gute Künstler und Handwerker, super Stukkateure, Patinierer, Maler in ganz großer Zahl. Die bemalen per Hand Resopalplatten, die nach kurzer Zeit wie Mahagoni oder wie uraltes Holz aussehen. Wir haben vier riesige Hallen komplett bebaut. Sogar der Wald samt Sumpf stand in einer Studiohalle.
Was war die große Herausforderung beim Dreh?
Niemann: Wir haben im fertigen Film rund 680 geschnittene Effektshots. Wenn man einen Film mit sehr vielen Tricks und einer computeranimierten Hauptfigur dreht, besteht die Gefahr, dass alles sehr technisch wird. Kino ist aber Emotion. Wir haben deshalb versucht, alles so vorzubereiten, dass die Schauspieler am Set möglichst wenig von den technischen Herausforderungen spüren, die hinter jedem Shot stecken. Obwohl das natürlich auch seine Grenzen hat. Ein solcher Dreh fordert den Schauspielern eine Menge Vorstellungsvermögen und Konzentration ab.
Welche Zielgruppe soll der Film vor allem ansprechen?
Becker: Die ganze Familie! Viele Erwachsene werden HUI BUH noch aus ihrer Kindheit kennen und sich freuen, mit ihren eigenen Kindern ins Kino zu gehen. Aber der Film ist noch mehr geworden: Eine tolle Gespensterkomödie mit Romantik, Action und Abenteuer. HUI BUH ist etwas fr das Publikum von „Harry-Potter“, „Herr der Ringe“ oder „Shrek“. Und natürlich für die Bully-Fans, die werden sicher nicht zu kurz kommen. Ich bin sehr stolz auf diesen Film.
Dann müsste so ziemlich jeder den Film sehen.
Becker: Wäre schön. Wichtig ist uns jedoch auch immer, Filme zu machen, die wir selbst gerne sehen wollen. Und wir hoffen, auf diese Weise auch den Geschmack des anderen Publikums zu treffen.
Harry Potter hat 200 Millionen gekostet, Sie sind mit fast nur 5% davon ausgekommen. Warum geht das hier billiger?
Becker: Wir arbeiten in viel kleineren Teams und auch nicht unter so strengen Gewerkschaftsbedingungen wie die Amerikaner. Bei uns hat nicht jeder Assistent noch drei weitere Assistenten und die wiederum jeweils zwei Praktikanten. Unsere Teams sind im Vergleich zu amerikanischen Großproduktionen viel überschaubarer.
Niemann: Die Leute arbeiten locker auch mal 14, 18 Stunden am Tag und das über viele Monate hinweg. Hinzu kommt, dass wir nicht so viel experimentieren und testen. Ich versuche, nur das zu drehen, was auch auf der Leinwand landet. Um einen tollen Film zu bekommen, muss man nicht jedem Investor 10 verschiedene Vorschläge oder Versionen präsentieren. Ich habe das Glück, dass die Leute unserem Team vertrauen, mit dem wir schon einige Filme gemacht haben.
Bully Herbig als HUI BUH ist die zentrale Figur, auch wenn er nur ein paar Minuten direkt zu sehen ist. Ist es ein komisches Gefühl, mit einem Schauspieler zu drehen, der auch ein klasse Regisseur ist?
Niemann: Nein, überhaupt nicht, obwohl Bully natürlich einen ganz anderen Blick auf seine Spielszenen hat als jemand, der nicht selbst Regie führt. Bully ist ein sehr netter Typ. Er hat das Projekt von Anfang an unterstützt und war am Set super kollegial. Er hat sich ganz bewusst höflich zurückgenommen und es war wirklich toll, mit ihm zu arbeiten.
Besondere Ereignisse während des Drehs?
Becker: Vor allem eine Gasexplosion an Bullys erstem Drehtag.
Niemann: An dem Tag hatten wir auf dem Set wahnsinnig viele Fackeln und Kamine, und man muss wissen, dass all die Feuer mit Gas gespeist werden. Aus ganz normalen Gasflaschen. Wir drehen gerade eine Szene, da macht es plötzlich einen Riesenknall, und Teile des Bühnenbilds fliegen durch die Gegend. Es riecht überall nach Gas. Wir haben sofort alle rausgeschickt und dann gesehen, dass eine Gasflasche explodiert war. Sie hatte eine Materialschwäche, einen haarfeinen Riss. Gott sei Dank war sie eine der Ersatzflaschen, sie stand im Hintergrund, sodass keinem etwas passiert ist.
Wie haben die Leute reagiert?
Becker: Die Schauspieler saßen anschließend alle still in ihren Wohnwägen und als ich bei einem der Darsteller vorbei kam, starrte dieser auf eine Wand – still, regungslos. Er schwieg, er war fertig – so wie wir alle. Es war eine bedrückende Stille. Am nächsten Morgen hatten dann alle Wohnwägen ein Radio oder einen CD-Player. Ich wollte zumindest nicht noch einmal erleben, dass einer der Schauspieler ohne Ablenkung schwermütig in seinem Wohnwagen saß.
In den Hörspielen wird nie gesagt, wo Schloss Burgeck eigentlich liegt. Wissen Sie es?
Niemann: Nein. Wir haben es in eine fiktive Welt versetzt.
Becker: Genauer gesagt: In das Königreich Luxenstein. Das haben wir im Film aber nicht näher thematisiert.
In welcher Zeit spielt der Hauptteil des Films?
Niemann: Das mussten wir auch erst rausbekommen. Aber wir hatten ja aus den einzelnen HUI BUH-Folgen ein paar Anhaltspunkte: Bei Alexander-Burgh gibt es Kutschen, es gibt einen König, es gibt einen Hofstaat. Andererseits kommt der König mit einem Auto, es gibt Telefone, es gibt sogar eine Folge, da gibt’s einen Hubschrauber. Wir haben also nach einer Zeit gesucht, in der das meiste zusammenpasst – also Anfang des 20. Jahrhunderts. Unsere Geschichte spielt aber natürlich nicht in Deutschland, sondern wir haben sie in ein kleines Königreich verlegt, das wir Luxenstein genannt haben.
HUI BUH ist Hans Clarins letzter Film, sozusagen sein Vermächtnis. Schon deshalb wird niemand Ihren Film vergessen.
Becker: Dabei hatten wir uns zunächst gar nicht getraut, Hans Clarin wegen der Rolle des Kastellans anzusprechen. Wir wussten ja, dass er so krank war. Aber dann haben wir ihn bei „Kerner“ gesehen, wo er sagte, dass er sich vorstellen könne, noch mal in einem großen Film mitzuspielen. Drei Tage später hatte er das Drehbuch. Vier Tage später hatten wir die Zusage.
Wie war er während der Dreharbeiten?
Niemann: Hellwach, konzentriert, hochprofessionell und extrem charmant. Und in den Drehpausen war er sowohl Gentleman als auch ein richtiger Kumpel. Ich bin seit dem Dreh ein noch größerer Fan von ihm als zuvor.
Becker: Wir haben im Februar 2005 mit den Dreharbeiten begonnen, und im Dezember und Januar davor lag er noch im Krankenhaus, das haben wir erst nachher von der Versicherung erfahren. Aber die Dreharbeiten mit ihm waren eine unglaublich tolle Zeit, und es war sehr beeindruckend zu sehen, wie er trotz des ganzen Stresses immer seine Frau und Familie um sich scharte.
War es ein Risiko?
Becker: Eines, das wir bewusst eingegangen sind. Noch während der Dreharbeiten haben manche vorgeschlagen, auch Co-Produzenten, ihn aus dem Film rauszuschreiben, ihm weniger Drehtage zu geben. Aber wir haben uns heftigst dagegen gewehrt. Haben gesagt: „Bis jetzt ist es gutgegangen, da wird es auch weiter gut gehen.“ Ist es dann ja auch. Für uns ist er ein Superstar!
Niemann: Man merkte, dass er sich physisch zusammenreissen musste, aber er war kräftemässig erstaunlich fit. Die Dreharbeiten endeten am 29. April 2005, gestorben ist Hans Clarin dann im August. Es ist schon ein merkwürdiges Zusammentreffen: Hans Clarin und Eberhard Alexander-Burgh wurden beide 1929 geboren, Clarin war nur einen Monat älter.
Wie geht’s weiter?
Becker: HUI BUH Teil 2 ist in Planung. Das Drehbuch ist schon fertig.
Wieder von Dirk Ahner und Ihnen, Herr Niemann?
Niemann: Natürlich! Gar keine Frage. Das nächste Mal schicken wir HUI BUH und seine Freunde auf eine Abenteuerreise in die Welt hinaus … Mehr wird an dieser Stelle aber noch nicht verraten.
Zum Schluss nur noch die Frage: Welche Fähigkeiten bewundern Sie am meisten an Gespenstern?
Niemann: Ewig zu leben.
Becker: Durch Wände zu gehen.
Interview mit Hui Buh
Aus dem Roman zum Film, erschienen beim Egmont-Schneider-Verlag.
Verehrter Hui Buh, vielen Dank dass Sie sich Zeit für uns genommen haben.
Sehr gern. Sie wirken etwas bleich, mein Bester. Kann es sein, dass sie ein klein wenig Angst vor mir haben?
Ich kenne Sie jetzt schon so lange von Ihren Platten und Büchern. Ehrlich gesagt, ich freue mich sehr, Ihnen endlich persönlich begegnen zu dürfen. Bevor wir über Ihren neuen Film sprechen, habe ich eine Frage zum Anfang Ihrer Karriere. Wann sind Ihre Geschichten zum ersten Mal erzählt worden?
Oh, das weiß ich noch ganz genau! Das war im Jahr 1969. Herr Alexander-Burgh [Eberhard Alexander-Burgh, der Autor der berühmten Hörspiele] hat eine Führung auf Schloss Burgeck gemacht, weil er gehört hat, dass es da spuken soll. Ich wollte ihn nicht enttäuschen, schließlich ging es um meinen guten Ruf. Ich hab ihn dann in meiner Verkleidung als „Hugo der hustende Henker“ erschreckt. Leider – oder vielleicht zum Glück – hat Herr Alexander-Burgh nicht die Flucht ergriffen. Er hat mir nur ein Hustenbonbon angeboten und mich gefragt, ob ich Interesse daran hätte, ihm ein paar meiner Abenteuer zu erzählen. Und die hat er dann aufgeschrieben. Sagen Sie, haben Sie wirklich keine Angst?
Sie haben, soweit ich weiß, an 23 Hörspielen und sieben Büchern mitgewirkt. Haben Sie all diese Geschichten wirklich erlebt?
Sie glauben ja nicht, was man so in 600 Jahren Spukerei alles sieht! Da kommen die verrücktesten Leute! Vieles von dem, was Herr Alexander-Burgh da aufgeschrieben hat, ist tatsächlich so passiert. Hin und wieder hab ich natürlich ein wenig geflunkert, und anderes hat er dann etwas umgeschrieben damit es spannender und lustiger wird. Und auch nicht ganz so gruselig. Sie müssen nämlich wissen, dass ich das gruseligste Grauen in ganz Burgeck bin. Da würden sich die kleinen Sterblichen vor Angst ganz schön in die Hosen machen, wenn man da zu nah an der Wahrheit bliebe.
In den letzten zehn, zwanzig Jahren ist es dann ein wenig ruhiger geworden um Sie. Hatten Sie vor sich zur Ruhe zu setzen?
Ach was, Unsinn! Ich habe mir lediglich eine kleine künstlerische Pause gegönnt. Der Erfolg der Hörspiele hat mich ja völlig überrascht. Ich habe angefangen, Unmengen an Kuchen zu essen und mehr Limonade zu trinken als mir gut tat. Und dann die ganzen wilden Parties! Sir Simon, das Gespenst von Canterville – ein guter Freund von mir übrigens – hat ja Erfahrung mit der Popularität. Er ist schon seit mehreren hundert Jahren berühmt und hat mich gewarnt: man muss vorsichtig sein, der Erfolg darf einem nicht zu Kopf steigen, sonst fällt er einem noch von der Schulter. Irgendwann hab ich gemerkt, dass ich mein Spuktraining vernachlässige, dass ich die armen, kleinen Staubmilben nicht mehr füttere und dass ich langsam genau so ordentlich und sauber werde wie ihr Sterblichen! Pfui Schmetterling! Das war dann der Punkt an dem ich gesagt hab, jetzt brauch ich eine Auszeit. Also bin ich nach Schottland gereist und hab ein paar berühmte Spukschlösser besucht. Es war eine künstlerisch sehr wichtige Zeit für mich.
Offensichtlich. Denn jetzt sind Sie wieder da und haben eine Menge neuer Abenteuer im Gepäck. Wie kam es zur Verfilmung ihrer Geschichten?
Oh, das war lustig! Eines Tages stand Sebastian [Sebastian Niemann, der Regisseur des Films] zusammen mit Christian [Christian Becker, der Produzent] vor den Toren von Schloss Burgeck. Sie sind den ganzen weiten Weg von München gereist, um mit mir zu sprechen. Ich hab den armen erst mal einen ordentlichen Schrecken eingejagt. Als sie dann schlotternd vor mir standen, hatte ich solches Mitleid, dass ich sie auf eine Tasse Tee in den Fledermausturm gebeten habe. Wenn ich gewusst hätte, was ich mir da antue! Diese Filmmenschen sind ja so was von hartnäckig. Sie sind so lange auf meinem Sofa sitzen geblieben, bis ich mich schließlich bereit erklärt habe, das Drehbuch durchzulesen.
Sie haben also den Produzenten und den Regisseur so richtig erschreckt?
Naja… um ganz ehrlich zu sein, dazu kam es nicht. Durch einen unglücklichen Zufall bin ich in meiner Verkleidung als „Donnernder Daniel“ mit dem Kopf im Kamin stecken geblieben. Sie mussten mich eine Stunde lang von oben bis unten einfetten, bis sie mich befreien konnten
Das war 2002, wenn ich richtig informiert bin. Hatten Sie Einfluss auf die Drehbucharbeit?
Herrje, das ist mir viel zuviel Arbeit! Die Original-Geschichten stammen von Herrn Alexander-Burgh. Also dachte ich mir, es ist vielleicht am besten, wenn er die Verhandlungen für mich übernimmt. Das hat er dann auch getan. Als sie dann endlich fertig waren mit ihrer Schreiberei, haben sie den Dirk [Dirk Ahner, Co-Autor] zu mir geschickt um meine Dialoge zu überarbeiten. Ich hab darauf bestanden, ihn im alten Folterkeller von Schloss Burgeck zu treffen. Sie wissen schon, der Atmosphäre wegen. Und dann hab ich den armen Kerl in meiner Verkleidung als „Kunibert, der gnadenlose Kerkerwärter“ empfangen.
Und Sie haben ihn so richtig das Fürchten gelehrt?
Nicht ganz… wissen Sie, ich hatte da so ein vertücktes Techtelmechtel mit der Eisernen Jungfrau. Ich hab mich darin versteckt um im richtigen Moment hinaus zu springen und mein gruseliges Geistergeheul zu heulen. Aber wie die Frauen so sind, sie wollte mich einfach nicht gehen lassen… äh, nächste Frage bitte.
Schloss Burgeck wurde in Studiohallen in Prag für den Film komplett nachgebaut. Warum hat man ihn nicht an Originalschauplätzen gedreht?
Das haben sie ja versucht! Aber Schloss Burgeck ist wirklich riesig. Ständig haben sich Leute vom Team verlaufen. Irgendwann ist dann sogar der Regisseur verloren gegangen. Auf der Suche nach einer anständigen Kaffeemaschine hat er sich so verlaufen, dass wir ihn erst drei Tage später wiedergefunden haben! Außerdem sind die Beamten von Burgeck sind sehr pingelig was den Denkmalschutz betrifft. Die Filmleute durften kein einziges Loch in die Wand hauen. Das war besonders für den Gerhard [Gerhard Schirlo, der Kameramann] schwer, weil der kein richtiges Licht machen konnte. Als sie dann den Sebastian wiedergefunden haben, wurde der Beschluss gefasst, in Prag zu drehen.
Entspricht denn das gebaute Schloss Burgeck Ihren Erwartungen?
Oh ja, herrlich! Ein wunderprächtiges Gruselschloss, viel majestätischer als Burgeck in Wirklichkeit. Matthias [Matthias Müsse, der Szenenbildner] und seine Leute haben das wirklich schön gemacht. Ich hab mich fast wie zu Hause gefühlt.
Wie war die Arbeit mit Regisseur und Darstellern für sie?
Ach, diese Sterblichen! Man muss sie einfach gern haben! Wir hatten viel Spaß miteinander. Dem Christoph [Christoph Maria Herbst, alias König Julius], Ellenie [Ellenie Salvo Gonzales, Darstellerin der Konstanzia] und dem Rick [Rick Kavanian, der „Charles“] hab ich immerzu einen gewaltigen Schrecken eingejagt, wenn ich ihnen in ihren Wohnwagen aufgelauert habe. Einmal hab ich mich sogar als „Schieläugigen Kutscher“ verkleidet und sie bei einer Tour durch Prag das Gruseln gelehrt. Den Sebastian hab ich in den Drehpausen gezwickt und gepiesakt, bis er um Gnade gewinselt hat. Unter uns gesagt, ich glaube nicht dass er wirklich Angst hatte. Er wollte mir einfach Anerkennung zollen. Schließlich weiß er, was ein richtiger Spukprofi ist.
Gab es auch unschöne Situationen?
Oh… ja, da waren so einige klitzekleine Zwischenfälle. Ich hatte einen Tag drehfrei und schrecklichen Hunger. Da hab ich das ganze Mittagessen der Crew verputzt. Die kamen mit knurrenden Mägen in den Speisesaal und haben nur noch leere Töpfe vorgefunden. Simon [Simon Happ, Producer] hat daraufhin ein ernstes Wort mit mir gesprochen.
Wie war die Zusammenarbeit mit Bully? Er spielt Ritter Balduin, also Sie selbst, als Sie noch ein Sterblicher waren.
Und er ist fast so gutaussehend wie ich damals war! Überaus sympathischer Bursche, dieser Bully. Jedenfalls für einen Sterblichen. In den Drehpausen haben wir immer Karten gespielt. Dabei hab ich ihn bis auf den letzten Hosenknopf ausgenommen, hehe.
Sie sind jetzt schon seit weit über 500 Jahren im Spukgeschäft tätig. Welche Pläne haben Sie für ihre Zukunft?
Ihr Sterblichen habt es immer so eilig mit dem Pläne machen! Wir Gespenster sehen das nicht so eng, wir haben schließlich alle Zeit der Welt. Also, vielleicht werde ich erst einmal ein paar Wochen Urlaub in Ägypten machen. Im Museum in Kairo leben ein paar Mumien-Freunde von mir, mit denen gebe ich vielleicht ein Seminar für Gespensterkinder: „Sterbliche erschrecken – aber richtig!“ Und dann? Wer weiß. Diese Filmerei hat mir Spaß gemacht. Leckeres Essen, staubige Kulissen und viele nervöse Leute. Dabei fällt mir auf, Sie wirken wirklich ein wenig ängstlich. Ihnen sitzt noch der Schreck wegen meines gruseligen Geistergeheules in den Knochen! Na, keine Sorge – so geht es jedem, dem ich begegne.
Verehrter Hui Buh, vielen Dank für das Gespräch! Und viel Erfolg bei allen weiteren Projekten!
Fröhliches Gruseln noch, ihr putzwütigen Sterblichen!
Quelle: Pressemappe, Roman zum Film