Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer (2016)
Produktion: Rat Pack Filmproduktion
Regie: Dennis Gansel
Produktion: Christian Becker
Autor: Dirk Ahner, Andrew Birkin, Sebastian Niemann
Musik: Ralf Wengenmayr
Kamera: Torsten Breuer
Schnitt: Ueli Christen
Casting: Nina Haun
Production Design: Matthias Müsse
Laufzeit: 110 MinutenDarsteller: Henning Baum, Solomon Gordon, Annette Frier, Christoph Maria Herbst, Milan Peschel, Michael Bully Herbig, Uwe Ochsenknecht
Kinostart: 29.03.2018
Story
Die kleine Insel Lummerland hat nur vier Einwohner: Lokomotivführer Lukas (Henning Baum) stellt mit seiner Lokomotive Emma den Eisenbahnverkehr sicher. Frau Waas (Annette Frier) führt einen Kaufladen. Herr Ärmel (Christoph Maria Herbst) ist vor allem damit beschäftigt, Lummerlands König Alfons dem Viertel-vor-Zwölften (Uwe Ochsenknecht) ein treuer Untertan zu sein.
Eines Tages bringt der Postbote (Volker Zack Michalowski) ein Paket, das an eine gewisse Frau Mahlzahn adressiert ist. Durch ein Missverständnis darf Frau Waas das Paket öffnen. In dem Karton liegt ein schwarzes Baby. Lukas nennt den Jungen Jim, weil er „genauso aussieht“, und Frau Waas zieht ihn wie einen eigenen Sohn auf.
Die Jahre vergehen, Jim (Solomon Gordon) wächst heran, lernt von Lukas alles über die Lokomotive Emma und ist ein sehr aktiver Junge. Immer wieder reißt er sich beim Klettern und Spielen ein Loch in seine Hose. Weil Frau Waas die Stelle nicht immer wieder nähen möchte, befestigt sie dort einen Knopf. Der bringt Jim seinen vollen Namen ein: Jim Knopf. Je älter er wird, desto mehr hinterfragt Jim seine Herkunft. Doch niemand auf Lummerland kann ihm eine Antwort auf diese wichtige Frage geben.
König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte bestellt Lukas zur Audienz ein. Der Monarch sorgt sich, dass Lummerland bald überbevölkert sein könnte. Wenn Jim in einigen Jahren volljährig ist und heiraten möchte, wird die Insel zu klein. Er schlägt vor, den Bahnbetrieb stillzulegen und die alte Emma verschrotten zu lassen.
Lukas ist entsetzt und beschließt, Lummerland heimlich mit seiner Lokomotive zu verlassen. Jim will die beiden begleiten, obwohl Lukas ihn warnt, dass die Reise gefährlich sein kann. „Das macht nichts. Ich passe auf dich auf“, sagt Jim. Er schleicht sich um Mitternacht aus dem Haus und hinterlässt Frau Waas einen Abschiedsbrief.
Lukas hat Emma seetauglich gemacht. Doch auf dem Meer geraten Lukas, Jim und Emma nachts in einen furchtbaren Sturm. Emma kentert. Am nächsten Morgen finden sich die Abenteurer an der Küste des asiatischen Kaiserreichs Mandala wieder. Jim entdeckt am Strand eine Flaschenpost, deren Nachricht er allerdings nicht entziffern kann. Das Wasser hat viele Buchstaben unleserlich gemacht. In der Hauptstadt Ping bitten Lukas und Jim um eine Audienz beim Kaiser (Kao Chenmin), da sie ihre Dienste als Lokomotivführer anbieten wollen.
Der Türwächter (Alex Liang) weist sie am Haupttor ab, doch der winzige Ping Pong (Eden Gough), das 32. Kindes kind des Oberhofkochs Schuh Fu Lu Pi Plu, will den Fremden helfen und bringt ihnen die Speisen, die der Kaiser in seiner Trauer verschmäht. Ping Pong erzählt, dass der Kaiser nicht mehr isst und nicht mehr spricht, seit seine geliebte Tochter, Prinzessin Li Si (Leighanne Esperanzate), entführt wurde.
Jim und Lukas bieten ihre Hilfe bei der Suche nach der Prinzessin an. Doch als es zum Streit mit dem Oberbonzen Pi Pa Po (Ozzie Yue) und zu einer handfesten Schlägerei mit den kaiserlichen Wachen kommt, sollen die Eindringlinge bestraft werden. Sie werden durch das Erscheinen des Kaisers gerettet, nachdem Ping Pong diesen zu Hilfe geholt hat. Auch der Herrscher hat eine Flaschenpost von der Prinzessin erhalten. Der Brief ist aber ebenfalls nicht lesbar.
Jim hat eine Idee: Er legt beide Briefe übereinander und hält sie gegen das Licht. Jetzt ist der Text gut zu lesen: Prinzessin Li Si wird von einer Frau Mahlzahn in der Drachenstadt Kummerland gefangen gehalten.
Jim und Lukas beschließen, mit Emma in die Drachenstadt zu reisen. Der Weg ist lang und gefährlich. Die Weisen von Mandala können nur die erste Etappe beschreiben, die bis zur Krone der Welt führt. Dieses rot-weiß gestreifte Bergmassiv gilt als unüberwindlich. Die einzig mögliche Durchquerung führt durch das Tal der Dämmerung. In dieser Schlucht kommen Jim und Lukas fast zu Tode, als die Felswände durch die tausendfach reflektierten Schallwellen der fahrenden Lokomotive zusammenstürzen.
In letzter Sekunde entkommen sie aus dem Tal der Dämmerung und erreichen eine Wüste namens ‚Ende der Welt‘. Dort lernen sie das Phänomen der Fata Morgana kennen und drohen zu verdursten, weil ihnen und Emma das Wasser ausgeht. Am Horizont erblicken Jim und Lukas einen Riesen und wollen die Flucht ergreifen. Doch der furchterregende Gigant erweist sich als freundlicher Scheinriese Herr Tur Tur (Milan Peschel), der nur in der Ferne riesig wirkt. Steht man ihm gegenüber, ist er genauso groß wie ein normaler Mensch. Herr Tur Tur führt die Gäste in seine Oase, damit sie sich mit Wasser versorgen können, und begleitet sie bis in die Region der Schwarzen Felsen.
Erneut setzen Jim und Lukas ihr Leben aufs Spiel, als sie mit Emma den finsteren und eiskalten Mund des Todes passieren. Dahinter liegt das Land der 1000 Vulkane.
Um sich vor herabfallenden Lava- und Felsbrocken zu retten, springen Jim und Lukas in einen erloschenen Vulkan. Dort wohnt der kleine Halbdrache Nepomuk (Stimme: Michael Bully Herbig). Er wäre gern so groß und fürchterlich wie die reinrassigen Drachen, die ihn aus der Drachenstadt Kummerland verstoßen haben. Jim und Lukas geben Nepomuk das Gefühl, dass sie Angst vor ihm haben, und reparieren seinen defekten Vulkan. Jim und Lukas verkleiden Emma als Drachenmädchen. Grimmbart (Stimme: Reiner Schöne), der Wächter der Drachenstadt, fällt darauf herein und lässt Emma, Jim und Lukas passieren.
Sie entdecken die Schule, in der der Drache Frau Mahlzahn (Stimme: Judy Winter) Kinder aus aller Welt auf grausame Weise unterrichtet, darunter die vermisste Prinzessin Li Si. Alle wurden von der Piratenbande die Wilde 13 entführt und an Frau Mahlzahn verkauft. Mutig nehmen Jim, Lukas und Emma den Kampf gegen den wütenden Drachen auf. Denn Jim weiß: Wenn er Frau Mahlzahn besiegt, kann er hoffentlich auch das Rätsel um seine eigene Herkunft lösen.
Über die Produktion
„Eine Insel mit zwei Bergen, und im tiefen weiten Meer, mit viel Tunnels und Geleisen und dem Eisenbahnverkehr.“ Es dürfte im deutschsprachigen Raum kaum einen Menschen geben, der beim Lesen dieser Zeilen nicht sofort die beliebte Melodie der Augsburger Puppenkiste mitsummt. Die liebevolle Adaption von Michael Endes „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ prägte, wie natürlich auch der preisgekrönte Roman und das Hör spiel des Autors, die Kindheit und Jugend mehrerer Generationen.
Auch Produzent Christian Becker, Jahrgang 1972, saß als Kind gebannt vor dem Fernseher, wenn ein Meer aus wogender Plastikfolie die Insel Lummerland umspülte und die Titelhelden mit ihrer Lokomotive Emma in ferne Länder reisten, wo sie große Abenteuer mit Scheinriesen, Drachen und Piraten bestehen mussten.
Der Wunsch, aus dem Roman einen modernen Kinofilm zu machen, beschäftigte Christian Becker schon seit 2003. Mit Regisseur Sebastian Niemann hatte er den ProSieben-Zweiteiler „Das Jesus Video“ (2002) abgedreht, gemeinsam steckten sie in den Vorbereitungen für den Kinofilm „Hui Buh – Das Schlossgespenst“ (2006), basierend auf der gleichnamigen Buch- und Hörspielreihe von Eberhard Alexander-Burgh. „Wir merkten, dass jeder von uns seine ganz persönlichen Erlebnisse mit Jim Knopf verband“, sagt Christian Becker. „Bei mir war es die Augsburger Puppenkiste, bei unserem Drehbuchautor Dirk Ahner war es der Roman, bei Sebastian Niemann war es die Mischung aus Roman, Hörspiel und Puppenkiste. Wir nahmen uns vor, Michael Endes Geschichte mithilfe einer zeitgemäßen Realverfilmung auch für künftige Generationen lebendig zu halten.“
Christian Becker wusste, dass die Filmrechte an „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ nicht leicht zu bekommen waren. Christian Becker, Sebastian Niemann, der auch ein guter Zeichner ist, und Dirk Ahner erarbeiteten ein Buch, das mit Texten, Fotos und Zeichnungen auf mehr als 150 Seiten die Vision einer ebenso würdigen wie ideenreichen Romanverfilmung zum Ausdruck brachte.
Diese Arbeit präsentierten sie Michael Endes Testamentsvollstrecker Dr. Wolf-Dieter von Gronau und dem Erbenvertreter sowie Literaturagenten Roman Hocke, der über viele Jahre Michael Endes Lektor war und, gemeinsam mit Dr. von Gronau, das literarische Erbe des 1995 verstorbenen Schriftstellers vertritt. „Uns war wichtig, mit Michael Endes Erben einen frühen Schulterschluss zu suchen und zu finden“, sagt Christian Becker. „Wir wollten sichergehen, dass Michael Ende sich über das Ergebnis freuen würde. Und es ist eine unglaubliche Hilfe gewesen, dass Roman Hocke und Dr. von Gronau uns die letzten 15 Jahre von Anfang an bis zum Ende als verlässliche Partner unterstützt haben.“ Dr. Wolf-Dieter von Gronau und Roman Hocke (der auch als Creative Producer „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ mitproduziert hat) fanden schnell Gefallen an dem Vorhaben der Filmemacher. Am 23. Juni bzw. 15. September 2005 schlossen sie mit der Rat Pack Filmproduktion einen Optionsvertrag über die Filmrechte.
„Christian Becker hat uns von Anfang an schwer beeindruckt: mit seiner Vision einer großen, zeitgemäßen Verfilmung des ,Jim Knopf‘, seinem Respekt vor dem Werk Michael Endes und mit seiner Ausdauer, über die vielen Jahre bei all den Auf und Abs immer eng am Ball zu bleiben“, sagt Roman Hocke. „Vor allem hat uns sein Bestreben imponiert, ein großes Kinoerlebnis zu schaffen, das auch die – zweifelsohne – hohen Erwartungen des Autors erfüllen sollte. Es war eine außergewöhnlich partnerschaftliche und sehr kreative Zusammenarbeit, bei der jeder tausend eigene Ideen ein gebracht hat, aber genauso offene Ohren für die Ideen der anderen hatte. Letztlich aber gab die Originalgeschichte von Michael Ende den Ausschlag.“
Sebastian Niemann und Dirk Ahner schrieben die erste Fassung des Drehbuchs und erhielten zeitweise prominente Unterstützung durch den britischen Drehbuchautor Andrew Birkin („Der Name der Rose“, „Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders“). „Ich habe noch nie so lang und intensiv an einem Drehbuch gearbeitet“, sagt Dirk Ahner. „Das lag vor allem an der großen Ehrfurcht, mit der wir uns diesem ikonischen Stoff näherten. Wir wollten, dass Michael Endes Geist erhalten bleibt und in jeder Szene des Films spürbar ist.“
Szenenbildner Matthias Müsse entwarf alle Requisiten und geheimnisvolle Welten, die den Romanzeichnungen von Franz Josef Tripp, dem Fernsehklassiker der Augsburger Puppenkiste, aber auch den Ansprüchen eines modernen Kinofilms gerecht werden.
Parallel suchte Christian Becker nach deutschen und internationalen Produktionspartnern, um das zunächst auf zwölf bis 16 Millionen Euro veranschlagte Budget stemmen zu können. „2008 konnten wir mit der Vorproduktion beginnen, doch dann sprang unser damaliger Co-Produzent ab“, sagt Christian Becker. „Es begann eine Berg-und-Tal-Fahrt mit mehreren Rückschlägen“, erinnert sich der Produzent, der weiterhin entschlossen war, „dieses wunderbare Stück Weltliteratur“ als Realfilm auf die Leinwand zu bringen.
Die Jahre zogen ins Land, mögliche Produktionspartner kamen und gingen – und dabei verschoben sich auch die Visionen der Filmemacher. Für eine ursprünglich geplante internationale Version des Stoffes wurden kurzfristig Aufnahmen mit Hollywood-Legende Shirley MacLaine in Sydney anberaumt, die den Text des Drachen Frau Mahlzahn einsprach und – als Grundlage für eine spätere Computeranimation – vor der Kamera spielte. Für diese Dreh arbeiten konnte Regisseur Dennis Gansel gewonnen werden, der nach Sydney flog. Mit seinem früheren Kommilitonen Dennis Gansel produzierte Christian Becker schon während der Filmhochschulzeit die Kurzfilme „The Wrong Trip“ (1997) und „Living Dead“ (1998), später auch „Das Phantom“ (2000), „Die Welle“ (2008) und „Wir sind die Nacht“ (2010).
„Dennis las im Flugzeug nach Australien das Drehbuch und brannte sofort für den Stoff“, sagt Christian Becker. Beim Regisseur rief die Geschichte viele Erinnerungen an die Kindheit wach: „Im Alter von sieben Jahren habe ich zum ersten Mal die Hörspielkassetten von Jim Knopf gehört“, sagt Dennis Gansel. „Es war die Fassung, die Michael Ende geschrieben hat und bei der er die Rolle des Erzählers übernahm. Ich kenne noch heute jeden Satz, jede Pause und jede Szene aus diesem Hörspiel. Als Kind fand ich Lummerland wunderbar, aber das eigentliche Abenteuer war für mich diese große Heldenreise, an deren Ende eine Prinzessin befreit werden muss. Ich habe das Hörspiel mindestens hundertmal gehört und mich in diese fantastische Welt hineinphantasiert. Ich wollte auch solche Abenteuer erleben.“
Während Christian Becker weiter nach internationalen Produktionspartnern suchte, setzte auch Michael Bully Herbig dem vorhandenen Drehbuch seinen Stempel auf. Becker und Herbig hatten zuvor „Wickie und die starken Männer“ auf die Leinwand gebracht und mit fünf Millionen Besuchern für einen der größten Kinoerfolge des Jahres 2009 gesorgt.
Ein deutscher Klassiker
Nachdem man den Stoff schon mehrere Jahre gemeinsam mit Warner entwickelt hatte, stieg Anfang 2016 dann die Warner Bros. Entertainment GmbH offiziell in das Projekt ein.
Willi Geike, der langjährige Deutschlandchef des Hollywood Majors, träumte selbst schon seit Jahren von einer Realverfilmung des Michael-Ende-Romans. „Willi Geike und etliche Kinobesitzer überzeugten mich, dass JIM KNOPF eine originär deutsche Geschichte ist, die beim Publikum am besten ankommt, wenn sie erst mal vorwiegend mit deutschen Schauspielern in deutscher Sprache verfilmt wird“, sagt Christian Becker, der sich nur langsam, aber schließlich aus gutem Grund von der Idee einer US-amerikanisch dominierten Besetzung trennte: „Mein Wunsch, den Film auf Englisch zu drehen, hätte uns vielleicht ausgerechnet im Heimatland des Buches am stärksten beschränkt. Der internationale Markt produziert jedes Jahr viele Hundert Filme, von denen in Deutschland niemand Notiz nimmt, aber wenn einer der beliebtesten Romane des Landes mit deutscher Starbesetzung verfilmt wird, findet das einen großen Niederschlag in den Medien und bei den Kinobesuchern.“
Nachdem die Entscheidung getroffen war, setzte eine positive Kettenreaktion bei der Finanzierung ein. „,Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer‘ ist mit fast 25 Millionen Euro einer der teuersten deutschsprachigen Filme aller Zeiten“, sagt Produzent Christian Becker. „Diese unglaubliche Summe ergibt sich daraus, dass alle Welten – von Lummerland bis zur Drachenstadt – aufwendig gebaut, gefunden oder am Computer erschaffen werden mussten.“
Um das Traumprojekt auf die Beine stellen zu können, war die Rat Pack Filmproduktion auf viele zuverlässige Partner angewiesen. „Wir haben das Grundgerüst gesichert, danach hat Warner Bros. ungefähr die Hälfte der Finanzierung gestemmt“, sagt Christian Becker. „Dann kamen noch das Studio Babelsberg und die Bavaria Filmproduktion hinzu, und wir sind stolz, dass uns so viele Förderer unterstützt haben: der FilmFernsehFonds Bayern, das Medienboard Berlin-Brandenburg, die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg, die Filmförderungsanstalt, der Deutsche Filmförderfonds und der German Motion Picture Fund. Timeless Films/Constantin Film übernahm den Weltvertrieb und hat das Projekt noch vor der Fertigstellung in mehr als 20 Länder verkauft.“
Als Regisseur war Dennis Gansel nun schon länger an Bord, der zuvor in Thailand den US-amerikanischen Actionthriller „Mechanic: Resurrection“ (2016) mit Jason Statham, Tommy Lee Jones und Jessica Alba inszeniert hatte. Als Kameramann wurde Torsten Breuer engagiert, der mit Dennis Gansel und Christian Becker auch schon an „Napola – Elite für den Führer“ (2004), „Die Welle“ (2008) und „Wir sind die Nacht“ (2010) gearbeitet hatte. Immer wieder las Dennis Gansel Michael Endes Roman und studierte das lieb gewonnene Hörspiel aus seiner Kindheit. „Je näher der Drehstart kam, desto mehr Dialoge aus dem Buch und aus dem Hörspiel haben wir im Drehbuch aufgegriffen“, sagt Dennis Gansel. „Der Roman ist nicht umsonst zum Klassiker geworden. Wir haben versucht, Änderungen nur dort vorzunehmen, wo wir die Erzählung straffen mussten. Der Film ist sehr nah am Roman – und das ist auch gut so.“
Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
Die Suche nach Jim Knopf begann in Deutschland, wurde aber rasch mithilfe einer internationalen Casting-Agentur ausgedehnt. „Unsere Migrationskultur ist anders geprägt, weshalb es in Deutschland im Frühjahr 2016 vergleichsweise wenige schwarze Kinder in den Schulen und noch weniger an Schauspielschulen gab“, sagt Produzent Christian Becker. „Deshalb haben wir schon früh in Großbritannien, in den Niederlanden und in den USA gecastet.“ Die Suche endete schnell, als in London der damals elfjährige Solomon Gordon vorsprach.
Dennis Gansel war spontan begeistert: „Solomon hat alle Qualitäten, die ich in Jim Knopf gesucht habe: dieses Aufgeweckte, das Neugierige und ein freundliches Wesen.“ Solomon Gordon brachte etwas Bühnenerfahrung mit, stand für „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ aber erstmals vor der Kamera. „Er ist ein Naturtalent“, lobt Dennis Gansel. „Solomon hatte noch nie zuvor etwas von Jim Knopf oder Michael Ende gehört, war aber perfekt für diese Rolle!“
Schwieriger gestaltete sich die Suche nach Jim Knopfs väterlichem Freund, dem Lokomotivführer Lukas. Mit internationalen Stars wie Gérard Depardieu oder John Goodman vor Augen, konzentrierten sich Christian Becker und Dennis Gansel zunächst auf ältere Schauspieler mit stattlicher Statur. Warner-Chef Willi Geike und Anne Sola-Ferrer (vormals Karlstedt, Directorin Local Productions) überraschten mit dem Vorschlag Henning Baum. „Ich hatte Henning überhaupt nicht auf dem Schirm“, gesteht Dennis Gansel, in dessen Kinodebüt „Mädchen, Mädchen!“ (2001) Henning Baum einen seiner ersten Kinoauftritte in einer Nebenrolle hatte. Christian Beckers Zusammenarbeit mit dem Star aus der Fernsehserie „Der letzte Bulle“ reicht sogar bis 1998 zurück: „Noch während der Filmhochschule haben Peter Thorwarth und ich für ProSieben/die GAT den nie gesendeten Pilotfilm ,Die zwei beiden vom Fach‘ gedreht, mit Hilmi Sözer und Henning Baum in den Hauptrollen als chaotisches Handwerkerpaar. Seither war Henning für mich dieser gutmütige Bär mit dem unglaublichen Lachen und uns allen ein guter Kumpel und Freund.“
Henning Baum, der zufälligerweise der Enkel eines Eisenbahners ist, beschreibt den Lokomotivführer Lukas als „ziemlich coolen Typen, der tiefenentspannt und grundsätzlich optimistisch ist. Er kann zupacken und scheut kein Abenteuer. Obwohl er Lummerland nicht gern verlässt, erkennt er die Notwendigkeit und pflügt mit seiner Lokomotive Emma durchs weite Meer zu neuen Ufern“.
Produzent Christian Becker sieht in Henning Baums Interpretation der Rolle einen „kumpelhaften Ersatzvater, wie ihn sich jedes Waisenkind wünschen würde“. Das Geheimnis dieser Sympathie vermutet Dennis Gansel darin, dass Henning Baum im wahren Leben Vater von vier Kindern ist. „Das spürt man auch daran, wie er vor und hinter der Kamera mit Solomon umging. Diese Wärme muss man von Natur aus mitbringen.“
Zwischen den Hauptdarstellern stimmte die Chemie seit dem ersten gemeinsamen Casting. „Das ist ein echter Glücksfall, ich mag den Jungen sehr gern“, sagt Henning Baum. „Wir haben Karten miteinander gespielt, uns Witze erzählt oder über unsere Lieblingsfilme gesprochen.“ Der Schauspieler sieht Lukas und Jim Knopf nicht nur als Vater und Sohn oder Mentor und Schüler, sondern in vielen Situationen als gleichwertige Gefährten: „Sie sitzen zusammen in der Patsche und suchen gemeinsam nach Lösungen. Oft ist es dann Jim, der Mut beweist und mit guten Ideen zur Lösung beiträgt.“
Eine Insel mit zwei Bergen
„Lummerland ist ungefähr doppelt so groß wie unsere Wohnung“, schrieb Michael Ende in seinem Roman. Das lässt die Leser bis heute augenzwinkernd staunen, in welch großzügigen Verhältnissen der Schriftsteller in den späten 1950er-Jahre gelebt haben muss. Denn die Insel, die im tiefen weiten Meer liegt, umfasst immerhin einen Berg mit zwei Hügeln (aus denen die Augsburger Puppenkiste „zwei Berge“ machte), das Schloss von König Alfons dem ViertelvorZwölften, den Hauptbahnhof mit Lokschuppen, den Kaufladen von Frau Waas und das Wohnhaus des Herrn Ärmel. Szenenbildner Matthias Müsse entwarf Lummerland als Inseldorf mit leicht verspielter Architektur nach britischem Vorbild.
Erste Ideen, Lummerland im sonnigen Südafrika oder auf einer Insel Malta zu drehen, wurden aus praktischen Gründen verworfen. „Es wäre schade gewesen, wenn diese ikonischen Kulissen nach den Dreharbeiten abgerissen worden wären oder sie so weit weg von Deutschland gestanden hätten, dass kaum ein Fan des Films unser Lummerland besuchen kann“, sagt Christian Becker.
So wurde beschlossen, Lummerland in Babelsberg zu bauen. Dort kann das Inseldorf seit dem 13. April 2017 als fester Bestandteil der Studiotour des Filmparks Babelsberg besucht werden. Der gebaute Teil von Lummerland hat eine Grundfläche von 50 mal 60 Metern und ist acht Meter hoch. Ein mit Wasser gefülltes Bassin vor der Kaimauer deutet das Meer an, der untere Bereich der Berge besteht aus Styroporklötzen, die mit Kettensägen bearbeitet und dann mit einer Schicht aus Beton und Bindemitteln überzogen wurden.
Der obere Teil der Berge sowie das Meer, das Königsschloss und ein Teil der Eisenbahnstrecke wurden später digital am Computer ergänzt. Der Hauptbahnhof, der Kaufladen und Herrn Ärmels Haus mit Vorgarten wurden dagegen in Originalgröße gebaut. „Die Dächer haben wir mit Dachziegeln gedeckt, die von einer alten Scheune stammten“, sagt Matthias Müsse. Die Statik der Häuser erlaubte es, auch die zweite Etage von Frau Waas’ Wohn- und Geschäftshaus sicher zu bespielen. Dort ist unter anderem Jim Knopfs Zimmer, aber auch der Speicher mit dem Postpaket, in dem Jim einst als Baby nach Lummerland geliefert wurde.
Die Inneneinrichtung des Kaufladens wurde nach Entwürfen von Matthias Müsse gebaut und mit allem ausgestattet, was schon im Lummerland-Lied der Augsburger Puppenkiste genannt wird: „Hustenbonbons, Alleskleber, Regenschirme, Leberkas, Körbe, Hüte, Lampen, Bürsten, Blumenkohl und Fensterglas, Lederhosen, Kuckucksuhren und noch dies und dann noch das.“
Die Lederhosen stellte der Szenenbildner allerdings infrage: „Wer braucht die? Der König trägt nur Bademantel, Herr Ärmel Anzüge, Lukas den Blaumann – und Touristen gibt es nicht auf Lummerland.“ Um der Vorlage gerecht zu werden, einigte sich Matthias Müsse mit Produzent Christian Becker auf einen Kompromiss: „Wir zeigen im Laden keine Lederhosen, aber auf einer der großen Schubladen klebt ein Schild mit der Aufschrift ,Lederhosen‘.“
Regisseur Dennis Gansel war wichtig, Lummerland als einen Ort zu zeigen, „an dem Jim Knopf sich rundum wohlfühlt“ und den er nur schweren Herzens verlässt: „Die Bonbongläser im Laden, der Gugelhupf auf der Fensterbank, das Kaminfeuer im Wohnzimmer: Das alles strahlt so viel Wärme und Behaglichkeit aus, dass es für Jim ein großes Opfer bedeutet, alles zurückzulassen und mit Lukas und Emma unbekannte Ziele anzusteuern.“
Auch der Abschied von seiner Ziehmutter Frau Waas fällt schwer, zumal sie von Annette Frier besonders warmherzig gespielt wird. Dennis Gansel attestiert Annette Frier eine „Herzenswärme und Sympathie, die ich immer in Frau Waas gesehen habe“, aber er wünschte sich äußerliche Veränderungen: „Wir haben ihr einen Fatsuit und eine 1950er-Jahre-Frisur verpasst“, sagt der Regisseur. „Im Roman hat Frau Waas fast keine Funktion, aber Annette spielt sie als liebevolle Mutter, bei der jeder Waisenjunge gern aufwachsen würde.“
König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte wird von Uwe Ochsenknecht gespielt. Er beschreibt Lummerlands Oberhaupt als „gütigen und leicht verwirrten Monarchen, der den ganzen Tag telefoniert“. Viele Telefonate waren auch nötig, bis die Suche nach dem richtigen König beendet war. „Die Casterin Nina Haun brachte Uwe Ochsenknecht ins Spiel, weil er etwas Königliches hat, aber dennoch dieses leicht Verwirrte wunderbar spielen kann und gut mit Sprache umgeht“, sagt Dennis Gansel. „Da fiel mir wieder ein, wie toll Uwe den verwirrten Kunstfälscher in ,Schtonk!‘ gespielt hat.“
Drehbuchautor Dirk Ahner baute in die Sätze des Königs mehrere Wortverdreher ein, „um König Alfons einen gewissen Dreh zu geben“, sagt Dennis Gansel. Der Regisseur ergänzt: „Ich war mir nicht sicher, ob das die Figur vielleicht zu stark verändert, aber nach ersten Textproben, die Uwe in sein iPhone gesprochen hatte, wusste ich, dass er den König genau so spielen muss.“
Kostümbildnerin Ute Paffendorf stattete Uwe Ochsenknecht mit einem königlichen Bademantel und einer goldenen Krone aus, allerdings baute Produktionsdesigner Matthias Müsse für den König kein eigenes Schloss. Das entstand erstspäter am Computer. Dagegen wurde das Thronzimmer in einer Villa in Berlin- Wannsee eingerichtet. „Die hohen Holzdecken und der eklektische Baustil des alten Hauses passten gut zur Architektur von Lummerland“, sagt Matthias Müsse. „Und weil die Insel so klein ist, muss auch der König auf beschränktem Raum wohnen und regieren. Sein Bett steht im selben Zimmer wie der Thron.“
An den Wänden bleibt aber noch Platz für großformatige Gemälde, auf denen die Vorfahren des Königs posieren. Alle sehen aus wie Uwe Ochsenknecht. Auch die Frauen.
Herr Ärmel, der treueste Untertan des Königs, wird von Christoph Maria Herbst gespielt. Der beschreibt ihn als „Gentleman der Insel“. Die Augsburger Puppenkiste machte aus Herrn Ärmel einen Fotografen, doch im Roman blieb sein Beruf bis dahin unbekannt. Dennoch hat Herr Ärmel auch etwas Gütiges und Liebenswertes in sich und ist auch ein wichtiger Teil von Lummerland.
„Tatsache ist, dass es im Buch nicht wirklich viel über Herrn Ärmel zu lesen und zu erfahren gibt“, sagt Christoph Maria Herbst. Michael Ende schrieb lediglich: „Herr Ärmel war der Untertan von König Alfons dem Viertel-vor-Zwölften. Mehr ist über ihn auch nicht zu sagen.“ Herbst sah das als Steilvorlage für eigene Interpretationen der Rolle: „Er ist von Beruf Untertan und macht Bücklinge, Bücklinge, Bücklinge, wenn sein König um die Ecke kommt. Aber das wird so zauberhaft erzählt, dass man sich diesem Charme einfach nicht entziehen kann.“
Kostümbildnerin Ute Paffendorf kleidete Christoph Maria Herbst in edle britische Stoffe, Maskenbildner Georg Korpás klebte lange schwarze Haarsträhnen auf den Kopf, die Herr Ärmel über seine Halbglatze kämmen kann. Herbst reklamiert diese Idee für sich: „Die Strähnen sind eine Verbeugung vor meinem geliebten Schwiegervater, der tatsächlich eine vergleichbare Frisur hat.“
Dennis Gansel griff Christian Beckers Vorschlag, Christoph Maria Herbst als Herrn Ärmel zu besetzen, gern auf: „Christoph kann solche steifen und pedantischen Typen spielen, hinter deren spröder Fassade doch etwas Warmes liegt, was vor allem in einer möglichen Fortsetzung sehr wichtig sein wird“, sagt der Regisseur.
Die Lokomotive Emma
Der öffentliche Personennahverkehr und das Transportwesen wird auf Lummerland durch die Lokomotive Emma sichergestellt, obwohl die alte Eisenbahn weder Personen- noch Güterwaggons zieht. „Emma spielt eine der Hauptrollen im Film“, betont Regisseur Dennis Gansel. Entsprechend viel Zeit und Sorgfalt wurde in den Entwurf und in den Bau der Lokomotive investiert.
Streng genommen gab es sogar vier verschiedene Emmas, die bei den Dreharbeiten in Deutschland und Südafrika für unterschiedliche Anforderungen zum Einsatz kamen. Das Hauptfahrzeug, „Emma 1“, wog 7,5 Tonnen und wurde in der Schlosserei des Studios Babelsberg gefertigt. „Die Schlosser meinten, das sei der schönste Auftrag seit Jahren gewesen“, freut sich Szenenbildner Matthias Müsse. „Oft bauen sie nur Kulissengerüste, die hinterher gar nicht auf der Leinwand zu sehen sind. Aber Emma ist im Film sehr präsent.“
„Emma 1“ wurde aus Stahl gebaut, hat einen Motor und ist rundum fahrtauglich, sowohl auf Schienen als auch auf dem Land. Matthias Müsse besuchte mehrere Technikmuseen und studierte historische Eisenbahnen. Am Ende entschied er sich, Emma drei Achsen zu geben, obwohl sie im Roman und bei der Augsburger Puppenkiste nur zwei Achsen hat. Dennis Gansel nickte die Entwürfe fast eins zu eins ab: „Wir haben Emma nur noch etwas bauchiger, etwas dicker gemacht.“
Zunächst wurde ein Holzmodell in Originalgröße gebaut, um Emma im Zusammenspiel mit Jim Knopf und Lukas zu testen. „Die drei sind oft gemeinsam im Bild, deshalb mussten die Proportionen stimmen“, sagt Matthias Müsse.
Scheinwerfer, Stoßstange und Puffer verleihen Emma ansatzweise ein Gesicht. „Wir haben auf die unterschwellige Wirkung der menschlichen Züge gesetzt“, sagt Christian Becker und verweist auf Filmklassiker, in denen die VW Käfer Herbie und Dudu eine eigene Seele bekamen. „Bei Emma läuft auch viel über den Ton“, sagt Dennis Gansel. „Wir haben drei Sounddesigner allein auf Emma abgestellt. Dazu kommt eine Schauspielerin, mit der wir verschiedene Laute aufgenommen haben, aus denen ein Musiker die Sounds für Emma schafft.
Diese Lok ist der dritte Hauptcharakter des Films und muss lebendig sein.“ Emma ist der Grund, warum Jim Knopf und Lukas Lummerland verlas sen. „Der König meint, die Insel sei zu klein, deshalb müsse entweder Jim weg oder Emma, die eh schon alt ist und öfter ausfällt“, erklärt Uwe Ochsenknecht die dramaturgische Schlüsselrolle, die König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte in der Geschichte spielt. Lukas lässt unter keinen Umständen zu, dass die Lokomotive verschrottet wird. Er macht sie seetauglich und will mit ihr Lummerland verlassen.
„Auch die schwimmfähige Emma wurde massiv aus Stahl gebaut, allerdings nur das Ober teil“, sagt Szenenbildner Matthias Müsse. „Wir haben auch den Motor und die Räder weggelassen, um Emma leichter zu machen und ihr mehr Auftrieb zu geben. So hält sie sich auf den großen Schwimmkörpern über Wasser.“
Das Kaiserreich Mandala
Da Lokomotiven nicht zwingend für lange Seereisen konstruiert wurden, kentert Emma bei einem gewaltigen Sturm mitsamt Jim Knopf und Lukas. Das Schicksal spült die drei an den Sandstrand des asiatischen Kaiserreichs Mandala. In frühen Fassungen des Romans und auch bei der Augsburger Puppenkiste hieß Mandala noch China. Da lag es nahe, dass Matthias Müsse zunächst in der Nähe von Shanghai nach geeigneten Drehorten suchte: „Ich war in den Hengdian World Studios, in denen die chinesische Filmindustrie gewaltige Palastanlagen aus mehreren Dynastien nachgebaut hat.“
Zwar lockten die größten Filmstudios der Welt mit beeindruckender Architektur und riesigen Kostümfundus, doch Regisseur Dennis Gansel erkannte früh das zentrale Problem: „Mandala und seine Hauptstadt Ping sind fiktive Orte, die nicht in eine bestimmte chinesische Dynastie passen. Wir hätten die bestehenden Palastanlagen mit großem Aufwand umgestalten müssen.“
Matthias Müsse ergänzt: „Natürlich ist Mandala stark von der chinesischen Architektur inspiriert. Aber auf Michael Ende wirkte China in den 1950er-Jahren noch sehr viel exotischer als heute auf uns. Film, Fernsehen und Internet haben die Welt kleiner und vertrauter werden lassen. Deshalb mussten wir für den Film ein Mandala schaffen, wie es noch kein Kinobesucher gesehen hat. Wenn Jim Knopf, Lukas und Emma durch das große Stadttor fahren, müssen ihnen – und dem Zuschauer – die Augen übergehen.“
So entstand, unweit der Außenkulisse von Lummerland, auch Mandala in den Filmstudios Babelsberg. Die Kaiserstadt Ping füllte die gesamte Marlene-Dietrich-Halle aus und war eine der größten und teuersten Filmkulissen der deutschen Kinogeschichte, doch Regisseur Dennis Gansel verlangte nach mehr: „Ohne größenwahnsinnig klingen zu wollen: Mir schwebte eine fünf Kilometer lange Hauptstraße vor, an deren Ende unzählige Treppenstufen zu einem riesigen Palast führen. Das bekommt man natürlich nur mit digitalen Ergänzungen hin. Insofern hat es sich dann doch ausgezahlt, dass zwischen der ersten Filmidee und dem tatsächlichen Drehstart so viele Jahre vergangen sind. Vor zehn Jahren hätten wir Ping noch nicht mit den heutigen fotorealistischen Möglichkeiten am Computer erzeugen können.“
Für Szenenbildner Matthias Müsse kam die Entscheidung des Regisseurs einem „Befreiungsschlag“ gleich: „Wir hatten die Freiheit, in viel größeren Dimensionen zu denken und zu planen. Es gab kein Limit mehr für die Höhe der Häuser oder die Länge der Straßen.“ Die real gebauten Kulissen beschränkten sich somit auf die Front des Palastes und die Fassaden zweier Häuserzeilen, vor denen die Schauspieler und Komparsen agieren konnten.
Für die Straßenszenen wurden über Medienaufrufe asiatische Statisten und Kleindarsteller gesucht, die im Großraum Potsdam und Berlin leben. „Jedes Kostüm ist handgemacht, jede Perücke ist handgeknüpft“, lobt Dennis Gansel die Fleißarbeit aller Gewerke. „Wir konnten nichts aus dem Fundus nehmen, sondern mussten eine komplette Welt erschaffen.“
Gern hätte der Regisseur die Straßen von Ping mit 1000 Komparsen aus Thailand, Vietnam, Südkorea, Japan und China bevölkert, aber das Budget limitierte deren Zahl auf 150. Mithilfe digitaler Effekte konnte die Menschenmenge später um ein Vielfaches multipliziert werden.
Eine Besonderheit in Mandala ist, dass die Größe der Bewohner von 1,80 Meter bis 20 Zentimeter reicht. Denn die Kindeskinder sind immer ein bisschen kleiner als die Generation vor ihnen. Für die Kleinsten gibt es überall in Ping Miniaturtreppen, Miniaturbalkone und andere Hilfsmittel. Der winzige Ping Pong, das 32. Kindeskind des kaiserlichen Hofkochs Schuh Fu Lu Pi Plu, ist bei seinem ersten Treffen mit Jim Knopf und Lukas lediglich 368 Tage alt, spricht aber mit großer Weisheit und in komplizierten Sätzen. Nachdem die Suche nach einem derart sprachbegabten asiatischen Jungen in Deutschland erfolglos blieb, wurde die Rolle mit dem fünfjährigen Eden Gough aus Großbritannien besetzt.
Auch Prinzessin Li Si, die entführte Tochter des Kaisers von Mandala, wurde mit Leighanne Esperanzate international besetzt, wie auch viele weitere asiatische Nebenrollen, darunter der Kaiser (Kao Chenmin).
Drachenstadt und Down Under
In der großen Nordhalle des Filmstudios Babelsberg wurde das Klassenzimmer aus der Alten Straße 33 in der Drachenstadt errichtet. Dort unterrichtet der Drache Frau Mahlzahn Prinzessin Li Si und die anderen entführten Kinder mit pädagogisch zweifelhaften Methoden.
„Dieses düstere Verlies hat uns in eine ganz andere Stimmung versetzt, als wir sie in den vorausgegangenen Wochen im beschaulichen Lummerland hatten“, sagt Dennis Gansel. „Da wurde uns einmal mehr deutlich: Michael Ende war kein Autor von Heile-Welt-Kinderbüchern, sondern ein Künstlersohn, der von künstlerisch-spirituellen Themen geprägt wurde und unter den Nationalsozialisten zur Schule ging. Als Kind achtet man nicht darauf, aber je älter man wird, desto mehr fallen einem diese großen Themen auf.“
Szenenbildner Matthias Müsse ließ das Klassenzimmer so bauen, wie es Drachen angesichts ihrer Grobmotorik erschaffen würden: „Alles ist scharfkantig, die Schieferwände sind feucht, von der Decke hängen Eisenkörbe mit Lava, die als Lichtquellen dienen. An der Tür gibt es Metallbeschläge mit Drachensymbolen,die nur grob behauen wurden, weil Drachen keine feinen Arbeiten ausführen können.
Die Summe dieser vielen kleinen Aspekte löst ein starkes Unbehagen aus, speziell bei den Kindern, die dort zur Schule gehen müssen.“ Im Studio erhob sich bei den Proben ein achteinhalb Meter hohes Modell des Drachen, um den Kindern und Schauspielern die bedrohliche Größe der Lehrerin zu verdeutlichen.
Im Film ist Frau Mahlzahn ausschließlich als Computeranimation zu sehen. Für Dennis Gansel schloss sich der Kreis: Schon im Sommer 2012, als „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ noch als internationales Filmprojekt mit britischer und US-amerikanischer Besetzung geplant war, reiste er nach Australien und filmte mit Oscar®-Preisträgerin Shirley MacLaine die englischsprachigen Textpassagen des Drachen Frau Mahlzahn. „Man muss kein Film-Nerd sein, um bei der Begegnung mit solch einem Hollywood-Star zu erstarren“, sagt der Regisseur. „Wenn Shirley MacLaine bei unserem Abendessen in Sydney beiläufig Geschichten erzählte, die sie mit Marilyn Monroe, Frank Sinatra oder John F. Kennedy erlebt hat, war das enorm beeindruckend. Auch die Drehtage mit ihr waren ein irres Erlebnis. Sie stand vor einer grünen Wand, hielt einen Rohrstock in der Hand und spielte einfach drauflos. Da merkt man, was es ausmacht, eine Schauspielerin von ihrem Format zu haben.“
Die deutschen Zuschauer können Shirley MacLaine und ihre Leistung als Frau Mahlzahn nur erahnen. Gesprochen wird der Drache von Judy Winter, die MacLaine schon in vielen ihrer Filme synchronisiert hat. „Die Animatoren haben sich an unseren Aufnahmen aus Sydney orientiert“, sagt Dennis Gansel. „Vor allem die Augen erinnern an Shirley MacLaine, ohne dass wir den Drachen allzu sehr vermenschlicht haben. Mich hat aber schon vor 20 Jahren bei „Dragonheart“ beeindruckt, wie gut man da Sean Connery, der den Drachen gesprochen hat, in den Gesichtszügen erkennen konnte.“
Dennis Gansel ist begeistert, dass mit Shirley MacLaine und Judy Winter gleich zwei Ausnahmeschauspielerinnen die Patenschaft für Frau Mahlzahn übernommen haben. „Sie geben dem Drachen genau die Tiefe, die Michael Ende beim Schreiben im Sinn hatte. Frau Mahlzahn ist eine kratzbürstige alte Lehrerin, die ihre Schüler zusammenscheucht. Doch sie hat einen guten Kern, der erst nach ihrer Verwandlung zum Vorschein kommt. Shirley MacLaine und Judy Winter können diese sehr unterschiedlichen Charaktereigenschaften hervorragend zum Ausdruck bringen.“
Der Halbdrache Nepomuk
Nach 34 Drehtagen in den Filmstudios Babelsberg zog die Produktion für elf weitere Drehtage nach Bayern um. In den Bavaria Filmstudios bei München entstand unter anderem der erkaltete Vulkankrater, in dem Jim Knopf und Lukas im Land der 1000 Vulkane den Halbdrachen Nepomuk treffen. Der klein gewachsene Mischling (der Vater ist ein Drache, die Mutter ein Nilpferd) wurde am Computer animiert. Dabei orientierten sich die Animatoren an Szenen, die zuvor von Michael Bully Herbig gesprochen und gespielt worden waren.
Für Herbig war das keine neue Erfahrung: Er lieh neben vielen Synchron-Hauptrollen für Disney- und Pixar-Filme seine Stimme und Mimik auch schon den animierten Titelfiguren in Sebastian Niemanns „Hui Buh – Das Schlossgespenst“ (2006) oder in Bullys eigenem Animationsfilm „Lissi und der wilde Kaiser“ (2007).
„Ich stelle mir vor, wie Nepomuk spricht, wie er sich bewegt, und tauche langsam in die Welt eines kleinen Halbdrachen ein“, beschreibt Michael Bully Herbig seine Strategie. „Wenn man nach der Stimme sucht, bewegt man automatisch den Kopf und den Körper. So gibt man dem Halbdrachen eine bestimmte Farbe. Die Animatoren haben dann die Möglichkeit, sich einiges davon abzugucken – oder auch nicht.“ Michael Bully Herbig attestiert Nepomuk eine „sehr kindliche und sehr charmante Art“, doch der Halb drache hat Probleme, sich so zu akzeptieren, wie er ist: „Er wäre lieber ein reinrassiger Drache, vor dem sich alle fürchten“, sagt Herbig. Er findet Nepomuk alles andere als schrecklich: „Dieser Halbdrache hat Funny Bones und ist ein klassischer Sidekick, der die Hauptfiguren in witzige Situationen bringt.“
Dennis Gansel wünschte sich einen „quietschigen und leicht nervigen“ Nepomuk, der den Zuschauern „trotzdem sofort ans Herz wächst“. Weil dieses Kunststück vor allem über die Kraft der Stimme erfolgen muss, vergab er die Rolle an Michael Bully Herbig. Bei den Dreharbeiten im erloschenen Vulkan hörten Henning Baum und Solomon Gordon hauptsächlich nur Herbigs zuvor aufgezeichnete Stimme, während ein Schauspieler vorab die Positionen andeutete.
Bei den Proben markierte das Licht eines Leuchtkugelschreibers die Stelle, an der später der Halbdrache ins Bild eingefügt werden sollte. Die Filmszene selbst wurde ohne solche Anhaltspunkte gedreht und verlangte den Schauspielern viel Phantasie ab.
Mit Nepomuks Hilfe tarnen Jim Knopf und Lukas ihre Lokomotive, indem sie Emma mit geformter Lava als schmuckes Drachenmädchen verkleiden. „So wie Odysseus sich einst mit dem Trojanischen Pferd in die Stadt Troja geschmuggelt hat, wollen wir uns mit der verkleideten Emma an den Wächtern der Drachenstadt vorbeimogeln“, erklärt Schauspieler Henning Baum. „Wir tricksen die großen Drachen aus und hoffen, dass unsere Verkleidung nicht auffliegt.“
Für diese Szenen kam eine dritte Emma zum Einsatz. „Weil man fast nichts von der eigentlichen Lokomotive sieht, bestand der Kern der verkleideten Emma nur aus Holz“, sagt Szenenbildner Matthias Müsse. Dennis Gansel war wichtig, dass Jim Knopf, Lukas und Emma auf den Drachen Grimmbart treffen, der den Eingang zur Drachenstadt bewacht und der mit dem vermeintlichen Drachenmädchen Emma anbandeln will. „Im Hörspiel, das Michael Ende verfasst und inszeniert hat, taucht Grimmbart nicht auf“, sagt Dennis Gansel, „aber mir gefiel dieser Türhüter immer besonders gut, weil er ein weiteres Spannungsmoment schafft.“
Im Film spricht der animierte Drache mit der Stimme von Reiner Schöne, der in Dennis Gansels Thriller „Die vierte Macht“ (2012) einen KGB Offizier spielte. „Reiner Schönes Stimme lässt Grimmbart einerseits brutal und einschüchternd wirken, andererseits liegt in der Stimme auch viel Herzenswärme, wenn er mit dem Drachenmädchen flirtet“, sagt Dennis Gansel und betont: „Die Besonderheit an Michael Endes Figuren ist, dass keine von ihnen einfach nur böse ist. Jede hat immer auch positive Charakterzüge. Das gilt für Grimmbart ebenso wie für Frau Mahlzahn und die Piraten der Wilden 13.“
Die Bavaria Filmstudios, in denen weitere effektgeladene Szenen mit der Lokomotive Emma gedreht wurden, waren für Dennis Gansel wie ein heiliger Boden: „Hier entstand vor mehr als 30 Jahren „Die unendliche Geschichte“. Durch Fernsehberichte habe ich als Kind überhaupt erst verstanden, dass es auch in Deutschland Filmstudios gibt. Ich habe meine Eltern so lange bedrängt, bis sie mit mir hingefahren sind und ich auf dem Glücksdrachen Fuchur reiten durfte. Als Filmstudent in München war ich immer wieder in der Bavaria, und auch heute noch renne ich wie ein Nerd durch diese Studios. Deshalb erfüllt es mich auch mit sehr viel Stolz, dass jetzt Kulissen und Requisiten aus „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ ein fester Bestandteil der Bavaria-Filmtour sind.“
Auf dem Gelände der Bavaria Studios können im Rahmen der Filmtour nicht nur Nepomuks Höhle, sondern auch die „schwimmende“ Original-Emma mit Segeln besichtigt werden.
Die ganze Welt in einem Land
Rückblickend wundert sich Produzent Christian Becker, dass Südafrika nicht von vornherein für die Dreharbeiten eingeplant war: „Die unglaublich vielfältige Natur bietet alles, was wir für die Außenaufnahmen unserer Heldenreise um die Welt brauchten: Berge, Wälder, Wüsten, den Ozean, unglaubliche Strände und sogar das Land der 1000 Vulkane.“
Dabei war zunächst geplant, die verschiedenen Länder mit großem technischem Aufwand in deutschen Studiohallen zu erzeugen. Szenenbildner Matthias Müsse erklärt: „Wir waren darauf eingestellt, kleine Teilsets von 50 bis 60 Quadratmetern zu errichten und sie später in große Naturbilder einzubauen, die in der Wüste Marokkos, in der Vulkanlandschaft von Fuerte ventura oder in den Wasserstudios auf Malta gedreht werden sollten.“
Der 1. Regieassistent Sebastian Ballhaus, ein Sohn der verstorbenen Kamera-Legende Michael Ballhaus, brachte als Alternative Südafrika ins Spiel. Eine Motivtour ergab, dass das filmerprobte Land nicht nur alle notwendigen Motive bot, sondern die meisten davon auch gut von Kapstadt aus zu erreichen waren. Hinzu kam ein wesentlicher Vorteil aus Sicht des Produzenten: „Im Winter beträgt der Zeitunterschied zwischen Südafrika und Deutschland nur eine Stunde“, sagt Christian Becker. „Das bedeutet, dass die Schauspieler und das Team bei der Arbeit keinen Jetlag haben und dass wir tagsüber mit den Partnern in Deutschland in der gleichen Zeitzone telefonieren können. Dreht man in Asien, USA oder Australien, muss man diese Telefonate in die Nacht verlegen, um in Deutschland jemanden erreichen zu können.“
Der Strand von Kogel Bay, etwa eine Autostunde von Kapstadt entfernt, diente als malerische Küste des Kaiserreichs Mandala. Die Vorbereitungen für den Drehtag begannen um vier Uhr morgens, um das intensive Licht des Sonnenaufgangs nutzen zu können. Eine ferngesteuerte Drohne lieferte Luftaufnahmen vom Strand, an den Jim Knopf, Lukas und Emma gespült wurden, und von den beeindruckenden Felsformationen im Hintergrund.
„Wir haben in Kapstadt eine vierte Emma bauen lassen“, sagt Szenen bildner Matthias Müsse. „Das schien uns sicherer zu sein, als die schwere Lokomotive aus Deutschland nach Südafrika zu verschiffen und nicht genau zu wissen, ob sie pünktlich eintrifft.“ Die südafrikanische Emma war leichter und somit mobiler als ihr deutsches Gegenstück, damit sie an mehreren Originaldreh orten auf unterschiedlichen Böden und ohne Schienen fahren konnte.
Das Filmteam reiste zu den Zedernbergen, 200 Kilometer nördlich von Kapstadt, um Jim Knopf und Lukas einen Panoramablick auf die Krone der Welt bieten zu können. Während es die Zedernberge tatsächlich gibt und die schrägen Sandsteinformationen einen markanten Bildvordergrund boten, musste das rot-weiß gestreifte Gebirge namens Krone der Welt am Computer geschaffen werden.
„Die Krone der Welt ist eine unüberwindbare Trennwand“, sagt Szenenbildner Matthias Müsse. „Es gibt aber in der Realität kein Gebirgsmassiv, das so klar die Begrenzung zwischen der erforschten und der unbekannten Welt symbolisiert.“
Die einzige Möglichkeit, die Krone der Welt zu durchqueren, bietet das Tal der Dämmerung. Vor Jim Knopf und Lukas hat noch niemand diesen straßenbreiten Durchlass zu nutzen gewagt. Die Felswände, die nur wenige Meter voneinander entfernt stehen, machen die Durchfahrt zu einer tödlichen Gefahr. Denn sie vervielfachen tausendfach das Echo, das durch das Schnaufen und Poltern der Lokomotive Emma entsteht. Die Schallwellen lösen die Felsbrocken aus den Wänden und lassen sie auf Emma stürzen. Die spektakuläre Szene wurde an einem großen Baggersee mit Steinbruch in Hillcrest Quarry gefilmt.
„Es gab diese Schlucht nur zur Hälfte“, verrät Matthias Müsse. „Wir haben Emma vor einer Wand des Steinbruchs fahren lassen und die zweite Wand digital ergänzt. Die Animatoren konnten sich dabei an der Beschaffenheit der echten Wand orientieren und simulierten den Einsturz am Computer.“
Jenseits der Krone der Welt beginnt die große Wüste, die das Ende der Welt genannt wird. „Ich war überrascht, dass wir in Südafrika einen wüstenähnlichen Drehort finden konnten“, sagt Dennis Gansel. In der Dünenlandschaft Atlantis Dunes, eine halbe Autostunde von Kapstadt entfernt, türmt sich feinster Sand zu sanften Hügeln. Und sofern Kameramann Torsten Breuer nicht in die Richtung des naheliegenden Ozeans schwenkte, entstand der Eindruck, dass die Szenen in einer echten Wüste spielen.
Die Lokomotive Emma wurde auf einem Trailer, den ein PS-starker Geländewagen zog, zum Drehort gebracht. „Wir standen vor dem Problem, dass eine Lokomotive nicht in der Wüste fahren kann“, sagt Herstellungsleiterin Uli Fauth. „Es gibt physikalische Gesetze, die auch eine Filmproduktion nicht außer Kraft setzen kann. Dazu gehört, dass die Räder einer schweren Lokomotive im feinen Sand versinken.“ Deshalb mussten Schienen und Platten verlegt und unter dem Sand versteckt werden. Anders als Emma profitierte Schauspieler Henning Baum von den Dreharbeiten im Dünensand: „Es ist immer hilfreich, unter extremen Bedingungen zu drehen. Die Wüstenhitze mussten wir nicht spielen, die Hitze spielte uns.“
Am Ende der Welt hat der Scheinriese Herr Tur Tur seinen Zufluchtsort gefunden. „Herr Tur Tur war schon immer eine meiner Lieblingsfiguren“, sagt Dennis Gansel. Das Besondere am Scheinriesen ist: Je weiter man sich von ihm entfernt, desto größer scheint er zu sein. Nur wer sich nah an ihn heranwagt, erkennt, dass er so groß ist wie jeder normale Mensch. Allerdings ergreifen alle die Flucht, wenn sie in der Ferne den Riesen sehen. Casterin Nina Haun schlug für die Rolle Milan Peschel vor, der sich nicht zweimal bitten ließ: „Ich bin gern bei solch außergewöhnlichen Filmprojekten dabei. Ich weiß, was das Buch vielen Generationen bedeutet.“ Peschel sieht in der tragischen Figur des Scheinriesen einen philosophischen Ansatz: „Alle Menschen haben Angst vor ihm, weshalb er als Einsiedler in die Wüste gehen musste. Er ist aber nicht verbittert, sondern hat die Sehnsucht, gute Freunde zu finden.“
Milan Peschel verbrachte jedes Mal zweieinhalb Stunden in der Maske und in der Garderobe, bis Kostümbildnerin Uta Paffendorf und Maskenbildner Georg Korpás aus ihm den langbärtigen Scheinriesen gemacht hatten. Um den Effekt zu erzielen, dass er kleiner wird, sobald er sich der Kamera nähert, und größer wird, sobald er sich vom Betrachter entfernt, lief der Schauspieler über ein grünes Laufband. Die bewegten Bilder wurden später in die Wüste eingepasst. Eine leichte Zeitlupe verstärkte zusätzlich den Eindruck, dass in der Ferne ein echter Riese zu sehen ist.
Herr Tur Tur begleitet Jim Knopf und Lukas bis in die Region der Schwarzen Felsen, hinter denen das Land der 1000 Vulkane auf sie wartet. Das Hochland mit hoher vulkanischer Aktivität ist das Rückzugsgebiet von Halbdrachen wie Nepomuk, die nicht als reinrassig gelten und von den Drachen aus gestoßen werden.
„Es gibt in Südafrika keine Vulkane“, beschreibt Szenenbildner Matthias Müsse ein wesentliches Problem bei der Motivsuche. „Wir haben viele Kiesgruben besichtigt, aber keine konnte uns eine Landschaft bieten, wie wir sie mit hohem Reise- und Kostenaufwand auf Fuerte ventura oder Island hätten nutzen können.“ Der Zufall wollte es, dass im November 2016, nur zwei Monate vor den Dreharbeiten in Südafrika, nördlich der Stadt Grabouw ein verheerender Waldbrand wütete. „Dort fanden wir unsere Landschaft, die von einer Ascheschicht bedeckt war und völlig zerstört wirkte“, sagt Matthias Müsse. Kleinere Vulkane wurden gebaut, die großen Vulkane kamen später am Computer dazu.
Die Wilde 13, eine gefährliche Bande von Piraten, die in Frau Mahlzahns Auftrag Kinder entführt, spielt in Michael Endes zweitem Roman „Jim Knopf und die Wilde 13“ eine zentrale Rolle. So wird es auch bei einer möglichen Fortsetzung von „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ sein, doch im ersten Kinofilm absolvieren die seefahrenden Brüder, die alle gleich aussehen, nur einen kurzen Gastauftritt.
Umso mehr überrascht die Größe und Detailversessenheit des Piratenschiffs, das in der kurzen Sequenz zu sehen ist. Des Rätsels Lösung: Das deutsche Filmteam konnte in den Filmstudios von Kapstadt die Kulissen der von Michael Bay produzierten Fernsehserie „Black Sails“ mieten, als die Amerikaner eine längere Drehpause zwischen der dritten und der vierten Staffel einlegten.
„Es war ein echter Glücksfall, dass wir dieses gigantische Holzschiff nutzen durften“, freut sich Regisseur Dennis Gansel. Matthias Müsse schwärmt von der Ausstattungsarbeit seiner amerikanischen Kollegen: „Dieses Schiff wirkt, als wäre der Kapitän gerade von Bord gegangen. Die Seekarten hängen noch, die Laternen schaukeln, die Netze halten die Fracht zusammen. Wir haben spontan auch noch die Kajüte des Kapitäns in den Film eingebaut, weil der optische Reichtum so groß war, dass wir alles mitnehmen wollten.“
Rick Kavanian spielte nicht nur einen Piraten, sondern die gesamte Wilde 13. „Das ist eine absolute Paraderolle für Rick“, schwärmt Dennis Gansel. „Er muss Brüder spielen, die sich wie ein Ei dem anderen ähneln, aber dennoch jeweils eine individuelle Note haben.“
Rick Kavanian reizte nicht zuletzt die Aussicht auf eine Fortsetzung: „Diesmal bin ich böse und nur ganz kurz mit von der Partie, aber im zweiten Teil habe ich die Möglichkeit, die nette Seite der Piraten zu zeigen.“
Kavanian ließ sich auf das Abenteuer ein, durch eine aufwendige Prozedur in eine Piratenmeute verwandelt zu werden: „Ich bin quasi die Leinwand, auf der unser ungarischer Maskenbildner und unsere Kostümbildnerin eine Figur erschaffen. Wenn ich die dann hinterher im Spiegel betrachte, weiß ich, wie ich sprechen und mich bewegen muss, um der Figur eine Seele einzuhauchen.“
Auch das Piratenschiff, an dessen Steuerrad vier Staffeln lang Toby Stephens als Captain Flint stand, half Rick Kavanian, sich schnell mit seiner Rolle zu identifizieren: „Das Schiff ist der Wahnsinn. Wenn man weiß, dass sonst die US-Abenteuer-Serie „Black Sails“ darauf gedreht wird, fühlt man sich ein bisschen gebauchpinselt. Ich glaube, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so ein großes Piratenschiff gesehen.“
Anders als in den Wasserstudios auf Malta, wo Matthias Müsse unter anderem das Wikingerschiff für die Christian-Becker-„Wickie“-Produktionen (2009 und 2011) ausstattete, erstreckt sich hinter dem Piratenschiff aus „Black Sails“ nicht das große weite Meer. „In den Cape Town Film Studios blickt man direkt auf ein Township“, sagt Matthias Müsse, „aber wir haben den Hintergrund mit grünen Leinwänden verdeckt, die nachträglich durch das stürmische Meer ersetzt wurden.“
Effekte und Musik
„,Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer‘ ist einer der postaufwendigsten Filme, die jemals in Deutschland entstanden sind“, sagt Produzent Christian Becker. „Wir erschaffen so viele Welten und bearbeiten so viele Szenen digital, dass wir gleich fünf verschiedene Computereffektfirmen damit beauftragt haben, parallel an diesem Film zu arbeiten.“
Dennis Gansel ergänzt: „Trixter macht alle 3-D-Figuren, vor allem Frau Mahlzahn und Nepomuk, aber auch die Vulkanlandschaft. Rise FX macht das Tal der Dämmerung, das in sich zusammenstürzt, und die Region der Schwarzen Felsen. Scanline macht Lummerland und alle Wasserszenen. Chimney macht die Wilde 13. Und Mackevision macht Mandala mit der Hauptstadt Ping und dem Kaiserpalast.“ Zu Spitzenzeiten arbeiteten bis zu 500 Digital Artists gleichzeitig an den Effekten. „Diese Branche hat in Deutschland ein sehr hohes Niveau erreicht“, betont der Regisseur, „viele Digital Artists werden auch für die großen Marvel-Filme gebucht. Ich bin besonders begeistert darüber, dass einige von ihnen Marvel-Aufträge abgelehnt haben, um ,Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer‘ mitgestalten zu können. Da merkt man wieder, wie stark der Roman und die Augsburger Puppenkiste uns alle geprägt haben und was für ein Traumprojekt dieser Film für alle Beteiligten ist.“
Der Augsburger Musikpädagoge Hermann Amann komponierte die Musik zu vielen Fernseherfolgen der Augsburger Puppenkiste, darunter auch den Ohrwurm „Eine Insel mit zwei Bergen“. Produzent Christian Becker war stets überzeugt, dass das LummerlandLied im Kinofilm vorkommen muss, und sicherte sich über seine langjährigen Musikberater von Daydream Music Supervising früh die Rechte: „Für die deutschen Zuschauer ist das Thema unglaublich wichtig, weil der Song tief in uns verwurzelt ist.“
Komponist Ralf Wengenmayr, der die Musik zu den Christian-Becker-Produktionen „Wickie und die starken Männer“ (2009) und „Wickie auf großer Fahrt“ (2011) schrieb, komponierte zunächst ausgewählte Motive, bei denen er die berühmte Melodie als musikalische Klammer für den Sound track nutzte. Anfang 2018 nahmen Ralf Wengenmayr und das Deutsche Film orchester Babelsberg die Filmmusik auf. „Es ist ein richtig großer Hollywood-Score, der an moderne Klassiker von John Williams und John Barry erinnert und sehr spielerisch das Erbe der Augsburger Puppenkiste zitiert“, lobt Christian Becker. „Die Musik wirkt wie eine Umarmung für die Zuschauer.“
Perfekte Familienunterhaltung
Im Film regt König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte an, die Lokomotive Emma mit dem Lummerland-Orden auszuzeichnen. Gäbe es diese Ehrung im echten Leben, dann würde Dennis Gansel seinen Produzenten Christian Becker dafür vorschlagen: „Er hat 15 Jahre für dieses Projekt gekämpft und das finanzielle Risiko getragen. Solch ein Durchhaltevermögen ist unfassbar. Er hat in bester Bernd-Eichinger-Tradition eine Vision gehabt und alles dafür getan, um sie wahr werden zu lassen. Ohne ihn gäbe es diesen Film nicht.“
Das Lob richtet der Regisseur auch an Willi Geike, Deutschland-Chef der Warner Bros. Entertainment GmbH: „Er hat Christian auf diesem langen, steinigen Weg begleitet. Beide sind gute Geschäftsleute, aber in ihrem Herzen eben auch echte Fans und Visionäre. Gemeinsam haben sie ein Budget aufgebracht, das in Deutschland noch nie zuvor in einen Film geflossen ist.“
Christian Becker zweifelt keine Sekunde daran, dass sich der Aufwand gelohnt hat: „,Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer‘ ist eine Abenteuer reise, die noch einmal um ein Vielfaches größer ist als bei unseren ,Wickie‘-Filmen. Wir erzählen eine herzerwärmende Geschichte über Freundschaft, Mut und die Suche nach der eigenen Identität. Der Film verbindet wichtige Themen mit einem spannenden, aber auch sehr vergnüglichen Fantasy-Abenteuer und hält Michael Endes wunderbares Erbe für weitere Generationen lebendig.“
Henning Baum ist überzeugt, dass der Schriftsteller von der Realverfilmung begeistert wäre: „Alle Abteilungen der Produktion haben sich in den Stoff hineingekniet und Michael Endes Ideen liebevoll umgesetzt. Nichts wurde verfremdet, sondern zeitgemäß auf die Leinwand gebracht.“
Der Schauspieler hält „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ für die perfekte Familienunterhaltung: „Eine Geschichte ist dann gut, wenn sie komplex ist und mehrere Ebenen hat, sodass die Kinder sie als spannendes Märchen empfinden, aber die Erwachsenen auch die vielen Anspielungen und Botschaften verstehen. Michael Ende hat zweifelsohne ein Plädoyer für die Phantasie geschrieben. In einer Zeit, in der für viele nur noch das Rationale, Berechenbare und Messbare zählen, brauchen wir die Phantasie, die Geschichten und die Märchen nötiger als je zuvor. Und deshalb darf man Phantasie auch nie als etwas abtun, das nur Bestandteil der Kindheit ist.“
Creative Producer und Michael-Ende-Erbenvertreter Roman Hocke ergänzt: „Im Film ist sehr viel Michael Ende enthalten – von seiner ganz eigenen Sicht auf die Welt. Tatsächlich haben sich Christian Becker und Dennis Gansel mit Dirk Ahner so nah, wie es filmisch eben möglich ist, an die Originalgeschichte und den Geist des Buchs gehalten. Für uns, die wir mit Michael Ende zusammengearbeitet und ihn persönlich gekannt haben, war es ein großartiges Erlebnis, zu sehen, wie sehr sich alle Beteiligten mit dem Roman auseinandergesetzt haben, wie stark er ihre Kindheit geprägt hat und wie sehr sie ihn bis heute schätzen. Uns hat es imponiert, wie viel Herzblut und Leidenschaft das gesamte Team in den Film gesteckt hat.“
Die Geschichte von Jim Knopf
Der Zufall ereignete sich 1956 im Münchner Stadtteil Schwabing. Michael Ende traf einen ehemaligen Schulkameraden. Der arbeitete als Grafiker und sagte: „Ich höre, du bist Schriftsteller geworden. Wie wäre es denn mit einem Text, aus dem wir beide ein Bilderbuch machen können?“ Michael Ende ging nach Hause, setzte sich an seine Schreibmaschine und tippte, ohne groß darüber nachzudenken, einen ersten Satz aufs Papier: „Das Land, in dem Lukas der Lokomotivführer lebte, war nur sehr klein.“
Der Schriftsteller war zu diesem Zeitpunkt 26 Jahre alt und hatte schon vieles ausprobiert. Der Sohn eines Malers und einer kunstinteressierten Mutter war ein schlechter Schüler, dem die Lehrer „zu viel Phantasie“ vorwarfen. Durch die finanzielle Unterstützung von Bekannten bekam Michael Ende die Möglichkeit, seine letzten beiden Schuljahre in der wiedereröffneten Freien Waldorfschule in Stuttgart zu verbringen. Er startete erste Schreibversuche, die kein Geld brachten, und besuchte die Schauspielschule Otto Falckenberg in München.
Er wollte allerdings kein Schauspieler werden, sondern den Grundstein für eine Karriere als Theaterautor legen. Denn Ende war überzeugt: „Nur das gesprochene Wort ist das wahre, gültige Wort.“ Er spielte an mehreren Regionaltheatern und schrieb Texte für das politische Kabarett. Ab 1954 war er auch als Filmkritiker für den Bayerischen Rundfunk tätig.
An einem Kinderbuch hatte sich Michael Ende noch nie versucht. Und als er den ersten Satz getippt hatte, wusste er nicht, wie der zweite Satz lauten sollte.
„Ich hatte keinerlei Plan zu einer Geschichte und keine Idee“, gestand er später. „Ich ließ mich einfach ganz absichtslos von einem Satz zum anderen, von einem Einfall zum nächsten führen. So entdeckte ich das Schreiben als ein Abenteuer. Die Geschichte wuchs und wuchs, immer mehr Gestalten stellten sich ein, Handlungsfäden begannen sich zu meinem eigenen Erstaunen durcheinanderzuweben.“
Diese Arbeitsweise verglich er mit dem Vorgehen eines Malers. Denn auch dieser Künstler habe oft nur eine vage Idee davon, was er malen wolle, und lasse während des zufälligen Arbeitsprozesses aus vielen Farben etwas Besonderes entstehen.
„Edgar Ende, Michael Endes Vater“, so Roman Hocke, „war ein sogenannter phantastischer oder auch visionärer Künstler. Um seine Bildideen zu finden, verdunkelte er sein Atelier und versetzte sich in eine Art Wachschlaf. Stundenlang verharrte er auf diese Weise, bis die Visionen aus dem Dunkel kamen und er sie mit einem Stift, an dem eine kleine Lampe befestigt war, skizzierte.
Nach dieser Kindheit und dieser lebenslangen Schulung seiner Phantasie, also der schöpferischen Talente, scheint es kein Wunder, dass Werke wie ,Jim Knopf‘, ,Momo‘, ,Die unendliche Geschichte‘ oder auch ,Der Wunschpunsch‘ entstanden sind. Michael Endes Motto lautete: ,Denn danach suchen wir doch letzten Endes nur, die Poesie im Leben zu verweben, im Leben selbst die Poesie zu finden.‘“
Nach zehn Monaten war das 500 Seiten lange Manuskript mit der Geschichte von Jim Knopf, Lukas und ihrer Lokomotive Emma fertig. Michael Ende ging in eine Buchhandlung und notierte die Namen und Adressen vieler Kinderbuchverlage.
Als der erste sein Werk ablehnte, schickte Ende das Manuskript an den zweiten Verlag. Und an den dritten, vierten, fünften. „Erfolg ist eine Portofrage“, sagte er später einmal rückblickend. Erst der zwölfte Verlag, Thienemann in Stuttgart, wollte seine Geschichte drucken, allerdings in zwei Teilen. „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ erschien 1960, mit Illustrationen von Franz Josef Tripp. Der Verkauf lief schlecht, bis das Buch im Sommer 1961 den Deutschen Jugendbuchpreis erhielt. Das Preisgeld und der angekurbelte Verkauf retteten Ende vor dem finanziellen Ruin. Plötzlich berichteten die Medien über ihn, es folgte eine ausgesprochen gut besuchte Lesereise durch Deutschland.
1962 veröffentlichte der Thienemann Verlag den Folgeband „Jim Knopf und die Wilde 13“, der erwartungsgemäß ein großer Erfolg wurde. Die Augsburger Puppenkiste verfilmte beide Bände 1961 und 1962 in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Rundfunk für die ARD. Die jeweils fünf Folgen, damals noch in Schwarz-Weiß gedreht, wurden ab 1966 mehrmals in gekürzter Fassung wiederholt. 1977 und 1978 strahlte die ARD die bunten Neuverfilmungen der Augsburger Puppenkiste mit jeweils vier Folgen aus. Sie prägten über Jahrzehnte das Bild, das junge und ältere Zuschauer von Jim Knopf, Lukas und den anderen Bewohnern von Lummerland hatten.
Manfred Jenning, verdienter Hausautor, Dramaturg, Regisseur und Spieler der Augsburger Puppenkiste, inszenierte die Fernsehadaption und sprach Lukas den Lokomotivführer. Kurz darauf, im Jahr 1979, starb Manfred Jenning nach langer, schwerer Krankheit mit nur 50 Jahren.
Michael Ende verfasste Hörspielfassungen seiner erfolgreichen Bücher, führte selbst Regie und übernahm die Rolle des Erzählers. Sie erschienen auf mehreren Langspielplatten und Audiokassetten. Der Erfolg seiner Romane brachte Michael Ende finanzielle Unabhängigkeit, aber nicht die Anerkennung der Literaturkritiker. Sie warfen ihm vor, ein „Schreiberling für Kinder“ zu sein, dessen positiv gestimmte Märchen die jungen Leser noch nicht einmal auf das richtige Leben vorbereiten.
Auch die Tragikomödie „Die Spielverderber“, mit der Michael Ende 1967 das erwachsene Theaterpublikum gewinnen wollte, wurde von der Kritik zerrissen.
1971 zog er mit seiner Frau, der Schauspielerin Ingeborg Hoffmann, nach Italien. Das Paar ließ sich südöstlich von Rom nieder. Ende betonte, dass man in Italien nicht zwischen realistischer und phantastischer Literatur trenne, sondern es dort, anders als in Deutschland, nur auf die Qualität des Geschriebenen ankomme: „Man darf von jeder Tür aus in den literarischen Salon treten, aus der Gefängnistür, aus der Irrenhaustür oder aus der Bordelltür. Nur aus einer Tür darf man nicht kommen, aus der Kinderzimmertür. Das vergibt einem die Kritik nicht. Ich frage mich immer, womit das eigentlich zu tun hat, woher diese eigentümliche Verachtung all dessen herrührt, was mit dem Kind zu tun hat.“
Mit „Momo“ (1973) und „Die unendliche Geschichte“ (1979) schrieb Michael Ende zwei weitere Romane, die bis heute zu den erfolgreichsten und beliebtesten Büchern im deutschsprachigen Raum gehören. Seine Werke wurden in mehr als 40 Sprachen übersetzt und erreichten in Europa, in Amerika und in Asien eine Gesamtauflage von fast 30 Millionen. Die Romanverfilmungen „Die unendliche Geschichte“ (1984, Regie: Wolfgang Petersen) und „Momo“ (1986, Regie: Johannes Schaaf) sowie deren Fortsetzungen halten außerdem die Erinnerung an Michael Endes Romanhelden und deren phantastische Geschichten wach.
In den Jahren 1999 und 2000 entstanden die 52 Folgen der deutsch-französischen Zeichentrickserie „Jim Knopf“, die bis heute auf verschiedenen Fernsehsendern ausgestrahlt werden. 2018 kommt nun die erste Realverfilmung von „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ in die Kinos. Mehr als 60 Jahre nachdem Michael Ende die phantastische Heldenreise der ungleichen Freunde erfand, adaptieren Regisseur Dennis Gansel und Produzent Christian Becker diesen zeitlosen Literaturklassiker, setzen dabei auf alle Möglichkeiten der modernen Kinomagie und feiern zugleich die nostalgischen Momente, die Generationen von Kindern und Eltern mit Michael Endes Meisterwerk verbinden.
Quelle: Presseheft Warner